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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Wahre Schwert unter mir. In der Ferne verhallten Schritte und Stimmen, die mir vage bekannt vorkamen. Ich versuchte aufz u stehen, rutschte aber auf dem Steinfußboden immer wieder aus.
    Freiflieger.
    Freiflieger, die nicht im Labyrinth sein konnten. Natürlich gab es sie nicht wirklich, sie entsprangen nur meiner Angst. Oder Lens Angst. Endlich schaffte ich es, hochzukommen. Mit angehaltenem Atem lauschte ich. Die Schritte wurden immer leiser, offenbar zogen sich die Freiflieger in den hinteren Teil des Labyrinths zurück. Natürlich konnte ich sie noch erwischen – und Len befreien.
    Aber hier hinkte die Sache: Ich fürchtete mich nämlich nicht vor den Freifliegern. Und dass sie Len entführt haben könnten, jagte mir auch keinen Schrecken ein. Wenn Len echt war, musste er die Sache selbst erledigen.
    »Tut mir leid«, sagte ich in die Dunkelheit hinein. »Jeder muss selbst gegen seine Angst kämpfen. Sorry.«
    Ich lief den Gang weiter hinunter. Eine Minute, zwei, drei … Es war absolut still, und nur ein leichter Luftzug auf meinem Gesicht signal i sierte mir, dass ich in ein weiteres Zimmer gelangte. In einen großen, stockdunklen Raum.
    Komischerweise machte ich mir überhaupt keine Sorgen um Len.
    »Ist hier jemand?«, schrie ich.
    Stille. Rundum Stille und Dunkelheit.
    »He!«, rief ich noch mal, aber schon leiser. Mir wurde mulmig z u mute. Das Labyrinth war anscheinend nicht länger zum Scherzen au f gelegt. Jetzt machte es Ernst.
    »Bringt nichts, wenn du hier herumschreist«, sagte jemand in der Dunkelheit. Die Stimme kam mir bekannt vor, auch wenn der Ton ungewohnt klang.
    »Len?«, fragte ich. Das war seine Stimme – wenn auch im Ton e i nes …
    »Ja, Len der Freiflieger. Ich bin gekommen, um aus dir einen von uns zu machen, Danka.«
    »Das bist ja gar nicht du«, sagte ich erleichtert. »Die Freiflieger hä t ten dich in den paar Minuten nicht umwandeln können. Du bist nur eine von meinen Ängsten. Aber ich fürchte mich nicht sonderlich vor dir.«
    Derjenige, der sich Len der Freiflieger nannte, lachte schallend los. »Warum auch, Danka? Dieses dumme Labyrinth meint doch tatsäc h lich, du würdest dich vor deinem Freund fürchten. Pah! Schließlich hast du ihn mit dem Wahren Blick geprüft und weißt, dass er dich nie verraten wird.«
    »Eben«, sagte ich.
    »Und was deine Eltern angeht … Um deine Mutter machst du dir schon seit Ewigkeiten keine Sorgen mehr und vor deinem Vater hast du längst keine Angst mehr. Du bist jetzt erwachsen.«
    »Richtig«, sagte ich.
    »Du hast nicht mal vor deinen Feinden Angst, stimmt ’ s ? Du glaubst einfach nicht daran, dass du sterben könntest.«
    »Stimmt, das glaube ich nicht«, flüsterte ich.
    »Aber ich weiß, wovor du große Angst hast, Danka.« Die Stimme in der Dunkelheit widerte mich jetzt beinah an. »Eine ganz schön sel t same Angst, finde ich. Du hast Angst, dass dein Freund dich verrät. Dass mit ihm etwas Unheimliches passiert und er danach … «
    »Halt den Mund!«, brüllte ich. »Klappe! Len würde mich nie verr a ten!«
    »Im Leben vielleicht nicht. Aber hier, im Labyrinth des Schwerts, da hat er dich verraten. Du hast ihn allerdings auch nicht gerettet, ins o fern seid ihr quitt.«
    »Aber das brauchte ich doch nicht, hier ist doch sowieso nichts echt!«
    »Sicher, das glaubst du. Aber weißt du es auch? Du hast ihn verraten und jetzt musst du dafür bezahlen … Warum hast du nur solche Angst, dass dein Freund dich verrät, Danka?«
    Ich schwieg.
    »Ist dir das schon so oft passiert? Oder hast du selbst mal einen Freund verraten, Danka? Na?«
    »Ich hatte noch nie einen Freund«, brachte ich gequält hervor. »Ich hatte noch nie einen richtigen Freund.«
    »Wer hat das schon, Danka?«, höhnte Len der Freiflieger lachend. »Immerhin hast du die Wahrheit gesagt. Tapfer, tapfer!«
    »Wenn es um die eigenen Ängste geht, muss man tapfer sein.«
    »Gut gesprochen. Dann versuch ’ s mal.«
    Ein Schwert klirrte und pfiff knapp an meinem Gesicht vorbei. Ich wich zurück, aber zu spät. Meine Wange wurde nass und Blut tropfte rhythmisch auf den Boden.
    »Hätte ich besser gezielt«, erklang es aus der Dunkelheit, »wäre das dein Ende gewesen.«
    Ich presste eine Hand gegen meine Wange und umklammerte mit der anderen den Griff des Wahren Schwerts, während ich immer we i ter zurückging. In meiner Wange pulsierte der Schmerz, mal stärker, mal schwächer.
    »Diesmal entkommst du mir nicht!«, hallte es noch einmal aus der Dunkelheit. »Du

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