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Der Herr der Habichts - Insel

Der Herr der Habichts - Insel

Titel: Der Herr der Habichts - Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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nicht an Land. Wir müssen den Sturm weiter draußen überstehen, knapp hinter den Brechern. Daß uns das Unwetter gerade hier treffen muß, ist der Wille der Götter.«
    »Den Willen der Götter begreife ich nicht«, sagte Mirana bissig. »Ich wüßte nicht, was wir Böses getan haben.«
    Mirana bezweifelte, daß die Götter ihre Zeit damit verschwendeten, zwei Langboote in einen Sturm zu manövrieren, behielt ihre Meinung aber wohlweislich für sich. Ihr Blick richtete sich auf das zweite Boot, das keine drei Meter hinter ihnen war. Einar lag gefesselt auf den Schiffsplanken. Ob er Angst hatte? Wenn die Wellen ins Boot schwappten, bestand Gefahr, daß er ertrank. Sie hoffte es beinahe. Rorik plante, Einar nach Norwegen zu seinem Vater zu bringen, der dann eine Zusammenkunft des Thing einberufen würde, an dem alle Thane und Edlen, auch König Harald, teilnehmen würden, um über Einar Gericht zu sitzen. Rorik wollte die Forderung stellen, Einar im Zweikampf zu besiegen und zu töten. Ein Ende, das sie sehnlichst herbeiwünschte.
    Das ausgeprägte Ehrgefühl ihres Gemahls ärgerte sie zuweilen. Sie hätte Einar gerne ein Messer zwischen die Rippen gejagt. Rorik hatte mit ruhiger Stimme gesprochen, obgleich Mirana den Zorn aus seiner Stimme herausgehört hatte: »Ich würde ihn gern langsam mit bloßen Händen töten. Es liegt mir aber auch daran, den Mann, der meine Familie ausrottete und viele meiner Leute tötete, vor unser Gericht zu bringen und ihn zum Tode verurteilen zu lassen. Ich werde ihn töten, Mirana, aber ich werde ihn im fairen Kampf töten.«
    »Deine Gerechtigkeit, Rorik, ist etwas Unbegreifbares, das mit den Lebenden nichts zu tun hat. Gerechtigkeit befriedigt den Verstand, nicht aber das Herz. Ich denke, du tust das für deine Eltern, hab ich recht?«
    Seine Augen verengten sich. »Warum kennst du mich so gut?«
    »Ich hoffe, dich in jeder Hinsicht ganz und gar zu kennen, wie eine Frau einen Mann nur kennen kann. Ich denke, du willst deinen Eltern helfen, ihren Haß zu vergessen. Du willst, daß sie nach vorne schauen und das lieben und schätzen lernen, was ihnen jetzt gegeben ist und was die Zukunft bringt. Du willst, daß sie ihrem Feind in die Augen sehen und erkennen, daß Einar nur ein Mensch ist, ein grausamer Mensch, der den Tod verdient für sein Verbrechen und auch mit dem Tod bestraft wird.«
    »Ja«, sagte er und küßte sie.
    »Ich möchte dich gerne zur Zusammenkunft der Thane begleiten«, hatte sie hinzugefügt, doch er gab keine Antwort, küßte sie nur und begab sich ins Heck des Bootes, um mit Kron zu sprechen.
    Nun hob sie das Gesicht zu den bedrohlichen schwarzen Wolken hinauf. Ein Regentropfen klatschte ihr auf die Stirn. Einer der Männer stieß einen Schrei aus. Das Unwetter brach los. Sie hüllte sich eng in ihren Umhang.
    Roriks Stimme übertönte das Tosen der Wellen gegen den Schiffsrumpf. Ruhig und gelassen gab er seine Befehle, die Männer vertrauten ihm und führten seine Anweisungen aus.
    Alle waren schon bis auf die Haut durchnäßt. Seit Stunden schöpfte Mirana mit einem Lederbeutel Wasser aus dem Boot, während die Männer am Rande der Erschöpfung um ihr Leben ruderten. Gunleik wurde seit dem Morgen von starken Rückenschmerzen gepeinigt und war bald außerstande, das Ruder zu bedienen. Er schöpfte mit Mirana Wasser, um das Boot am Sinken zu hindern.
    Als das Boot sich auf dem nächsten Wellenkamm steil nach unten neigte und in die Tiefe schoß, hob sich Miranas Magen. Das Boot raste donnernd in das Wellental, als wolle es auf dem Grunde des Meeres zerschellen. Mirana schloß die Augen und sandte ein Stoßgebet zum Himmel. Wie durch ein Wunder brach das Boot nicht in der Mitte entzwei.
    Die Schiffe wurden in der aufgewühlten See wie Spielzeugschiffchen herumgeworfen. Steil hinauf auf den Kamm des nächsten Wellenberges, um zitternd nach unten in den tiefen Schlund zu fahren.
    Der Himmel war schwarz, obgleich es noch nicht Nacht sein konnte. Sie hörte einen erstickten Schrei, Rufe und Flüche der Männer. Ein Mann war über Bord gegangen.
    Durch Regenschlieren verzerrt sah sie Rorik über die Schiffswand gebeugt stehen, seine Augen suchten den Mann, den die kalten, wild schäumenden Wögen verschlungen hatten. Sie brauchten einen Ersatzmann am Ruder. Wohl oder übel wurden Einar die Fesseln gelöst, und man setzte ihn an den Platz des ertrunkenen Kriegers. Einar legte sich widerspruchslos und tatkräftig ins Ruder, an das Hafter ihm die Hände locker gebunden

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