Der Herr der Habichts - Insel
einem Ergebnis zu kommen.«
»Ich weiß, was sie meint«, sagte Alna und kicherte in sich hinein. »Es gefällt mir, Amma. Die Kerle werden nicht mehr wissen, wo hinten und wo vorne ist! Ja, es ist ein guter Plan.«
»Sollen wir ihnen am nächsten Tag wieder ungenießbares Essen vorsetzen?« fragte Amma nachdenklich.
»Zunächst warten wir Roriks Verhalten ab. Ich glaube nicht, daß er schnell handeln wird. Wie Alna sagt, die Männer werden nicht wissen, wie ihnen geschieht, ohne daß Rorik Strafe angedroht hat. Vielleicht denkt er, du habest uns gewarnt, er werde die Rebellion beenden, und wir hätten uns klaglos gefügt.«
»So denken die Männer«, sagte die Alte Alna. »Wenn eine Frau fügsam ist wie ein Lämmchen, glaubt er, sie sieht in ihm einen göttlichen Prinz, liegt ihm zu Füßen und betet ihn an. Lauter Tölpel, auch unser Herr Rorik, obwohl ich ihn sehr ins Herz geschlossen habe.« Sie bedachte Mirana mit einem langen, sinnenden Blick. »Du bist eine kluge Frau«, sagte sie unvermittelt. »Genau wie Roriks Mutter, Tora. Eigensinnig wie ein Floh in einem Ziegenfell.«
»Ja«, sagte Amma. »Tora ist stark und erfinderisch. Ihr Ehemann weiß nie, was er denken soll, wenn sie ihre Netze um ihn spinnt. Sie kann lauter brüllen als Harald. Er würde ihr nie drohen oder sie schlagen. Alna hat recht. Du bist furchtlos. Du bist ihr sehr ähnlich.«
Verwundert entgegnete Mirana lächelnd: »Ihr beschimpft eure Männer nicht.«
»Nein, brav wie die Lämmchen sind wir«, bestätigte Amma mit breitem Grinsen.
»Sag aber nichts zu Sculla«, warnte Mirana. »Auch wenn er dir treu ist, ist er ein Mann, und Männer sind anderen Männern in vieler Hinsicht ergebener als ihren Ehefrauen.«
»Kein Wort zu ihm«, versprach Amma. »Ich koche den Männern eine Gerstensuppe, daß ihnen Tränen vor Glück in die Augen treten.«
»Und was geschieht mit Entti?« fragte Mirana.
»Das kleine Dummchen tut alles, was wir ihr sagen«, versicherte Alna. »Sie kochte den Saufraß, das war keine Lüge. Asta reichte ihr die Fichtenrinde, und sie bröckelte sie in den Eintopf. Amma gab ihr die Rüben, und sie rieb sie brav in die Suppe.«
»Ja, mit einem seligen Lächeln im Gesicht. Nun wird sie uns beim Kochen zuschauen«, sagte Amma.
Kapitel 8
Sie lag seitlich auf dem Fußboden in eine Decke gewickelt. Ihr linkes Handgelenk war angekettet. Nachdem er die Einschnitte an der rechten Hand begutachtet hatte, band er die Kette um das unversehrte Gelenk.
Diesmal hatte er sie nicht angefaßt und sie kaum angesehen, nachdem er sie ins Langhaus zurückgebracht hatte. Sie dachte an ihre Unterredung mit Amma und der Alten Alna. Es war nicht sehr klug, sich in die Angelegenheiten der Frauen zu mischen, aber es war ihr ein großes Anliegen. Hoffentlich klappte ihr Plan und Rorik wartete mit seiner Strafpredigt nur einen Tag. Dann würde ihm der Kamm schwellen, und alle Männer würden zufrieden und selbstgefällig herumstolzieren. Der Zustand würde nicht lange anhalten. Sie hatte die Frauen gern und fühlte sich mit ihnen verbunden.
Sie horchte auf Roriks tiefe Atemzüge, schloß die Augen und versuchte, ihren Atem dem seinen anzupassen. Vergeblich. Sie lag wach und dachte an ihre Zukunft, was Einar wohl unternahm, um sie zu befreien und ob er überhaupt etwas unternahm. Sie prahlte mit ihrem Halbbruder vor Rorik, aber insgeheim gestand sie sich die Wahrheit ein. Nein, sie hatte keine Ahnung, was Einar tun würde. Er war ein seltsamer Mann. Seine Denkweisen und sein Handeln waren ihr stets fremd gewesen.
Roriks Atem ging plötzlich stoßweise, seine Brust hob und senkte sich schwer. Er stöhnte und schrie auf. Und dann hörte sie seine Stimme, flehend und gequält: »Nein! Bei Thor, nein! Inga, verlaß mich nicht. Bei allen Göttern, nein!«
Er bäumte sich auf. Der Bettkasten erbebte unter seinen Bewegungen. Sie rutschte auf den Knien zu ihm. Er schlug stöhnend um sich, von einem furchtbaren Alptraum gequält.
»Rorik! Wach auf!«
Er gab immer wieder leise, gequälte Schreie von sich.
»Rorik!«
Plötzlich saß er aufrecht im Bett, nach Luft ringend. Sie konnte seinen Körper als Umriß erkennen, nicht aber sein Gesicht.
»Du hattest einen Alptraum«, sagte sie ruhig, beugte sich vor, um ihn besser sehen zu können. Die Kette schlug rasselnd gegen den Bettkasten.
Er blickte verstört in ihre Richtung und sah sie vor dem Bett kniend; das Klirren der Kette irritierte ihn. Er schüttelte den Kopf. Der Alptraum . . . Das
Weitere Kostenlose Bücher