Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Habichts - Insel

Der Herr der Habichts - Insel

Titel: Der Herr der Habichts - Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
daneben übelriechender Kohl mit kleinen Brocken Rindfleisch. In der Mitte lag ein schwarz verkohlter Hering ohne Kopf.
    Mißtrauisch beäugte sie die Schale. »Eßt Ihr hier immer solches Zeug?«
    »Ja«, meinte er grimmig.
    Mirana war verwirrt. Die neue Seite an ihm brachte sie aus dem Gleichgewicht. Er hatte sie bisher grob behandelt, doch jetzt machte er ein Gesicht wie ein hilfloser, kleiner Junge beim Anblick des unappetitlichen Essens. Mirana dachte an das würzige Brot, den in Butter gedünsteten Hering mit weich gekochten Bohnen, den sie vor kurzem gegessen hatte. Und jetzt das hier. Es ergab keinen Sinn.
    »Lieber verhungere ich«, sagte sie trotzig und dachte zufrieden an ihren vollen Bauch. »Nimm den ekelhaften Fraß und wirf ihn in die Kloake. Oder führ dich wieder auf wie ein jähzorniger Junge und leere die Schale auf den Boden, wie du es mit dem Haferbrei heute morgen getan hast.«
    Diesmal leerte Rorik ihr das Essen in den Schoß, trat einen Schritt zurück, rieb sich die Hände und meinte spöttisch: »Der arme Hafter — jetzt hab ich ihm sein schönes Gewand ruiniert. Er rennt ja gern in Weiberröcken herum. Er muß dir wohl ein neues bringen, darüber wird er nicht sehr erfreut sein.«
    Damit verließ er die Kammer. Erst nach einiger Zeit bemerkte sie, daß er in seiner Wut vergessen hatte, sie anzuketten. Sie stand auf, schüttelte das Essen von ihrem Rock auf den Boden. Das Kleid hatte Uttas Mutter gehört. Es mußte gewaschen werden. Hoffentlich konnte sie es retten. Sie betrat den großen Raum mit einer gefalteten Decke über dem Arm. Wieder verstummten die Gespräche. Sie spürte, daß die Männer ihr argwöhnisch und unsicher nachschauten. Die Frauen verfolgten sie mit neugierigen Blicken. Was immer sie über sie dachten, sie spürte nicht die Kälte, die von den Männern ausging.
    Stur geradeaus blickend ging sie zum hohen Eingangstor. Beide Flügel standen weit offen. Kein Wort, kein Befehl von Rorik.
    Sie ging zur Badehütte. Im Vorraum standen gefüllte Wassereimer. Sie zog das Kleid und den Kittel aus und wusch beides sorgsam. Dann wickelte sie sich in die Decke, breitete die gewaschenen Kleidungsstücke auf den Bänken aus und verließ die Hütte. Sie schlenderte zum Palisadenzaun, um sich kundig zu machen, wie hoch und stark die Pfähle waren und wie die Tore beschaffen waren . . .
    Plötzlich stand Rorik vor ihr. Er trug drei große Seebarsche an einem Haken. Kerzog stand mit hängender Zunge neben ihm.
    Er schaute ihr ins Gesicht, dann auf die Decke, in die sie gehüllt war. »Was machst du hier draußen?«
    »Ich mußte das Kleid waschen, das du absichtlich besudelt hast. Was machst du mit den Fischen?«
    Unschlüssig hob er die Schultern. »Komm mit.«
    Sie folgte ihm. In der Nähe der östlichen Ecke der Umzäunung ging er in die Hocke und errichtete aus trockenen Zweigen und Laub eine Feuerstelle. Kerzog setzte sich neben ihn und sah ihm mit schief geneigtem Kopf zu. Rorik gab ihr ein Zeichen, sich zu setzen. Sie sah zu, wie er die Barsche mit einem scharfen Messer ausnahm und schuppte. Dann stellte er eine Eisenpfanne aufs Feuer, bestrich die Barsche dick mit süßer Butter, legte sie sorgfältig in die Pfanne und betrachtete sein Werk andächtig.
    Sie mußte lachen.
    »Ich bin am Verhungern«, gestand er, ohne die brutzelnden Fische aus den Augen zu lassen. »Ich gebe dir einen ab.«
    »Ich habe dir auch zu essen gegeben, als du mein Gefangener warst.«
    »Und du hast auch versucht, mir die Kehle aufzuschlitzen.«
    »Hätte ich dich umbringen wollen, hätte ich es getan. Du warst so hilflos wie diese ausgenommenen Fische.«
    »Ich habe deine großspurigen Sprüche satt. Halt den Mund! Glaubst du, der Fisch in der Mitte ist schon durch?«
    Die Fische wurden in er Butter goldbraun und dufteten verführerisch.
    »Nein. Innen ist er noch roh. Kochst du dein Essen immer selbst?«
    Er brummte. Über ihnen stand er zunehmende Mond. Die Nacht war klar, die Sterne funkelten am dunklen Himmel. Die Luft war lau. Die Vogelstimmen waren verstummt. Es war so still, daß man das Schlagen der Wellen gegen den Fels aus der Ferne hörte.
    Die klaren, gemeißelten Linien seines Gesichts waren im Feuerschein deutlich zu sehen. Es fiel ihr irgendwie schwer, den Mann zu hassen, der wie ein hungriges Kind unverwandt in die Pfanne starrte.
    »Kettest du mich heute nacht wieder an?«
    »Vermutlich. Ich trau dir nicht — du bist Einars Schwester. Und er ist ein Mörder. Ja, ich kette dich an.« Er

Weitere Kostenlose Bücher