Der Herr der Habichts - Insel
am feinen Wolltuch des eierschalenfarbenen Umhangs. »Ich lege das schöne Kleid in deine Truhe zurück. Ich habe aufgepaßt, um es nicht zu beflecken.«
»Ja, das hast du«, sagte er. »Ich öffne die Spangen. Das Kleid hat Asta vor vielen Jahren getragen. Jetzt ist sie dick geworden, und es paßt ihr nicht mehr.«
»Die Frauen sind sehr gut zu mir.«
»Ja. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht wird mich eine von euch eines Tages darüber aufklären. Es ist gut, daß du nun meine Gemahlin und ihre Herrin bist.«
Er nahm ihr die Spangen ab, und Mirana sagte: »Ich habe keine Waffe.«
»Nein. Aber ich.«
»In Clontarf hatte ich mein eigenes Messer.«
»Das, mit dem du mir beinahe die Kehle aufgeschlitzt hättest?«
Sie nickte.
»Wozu willst du eine Waffe, wenn du mich nicht erstechen willst?«
Sie legte den Umhang ab, faltete ihn zusammen und legte ihn in die Truhe und die Spangen dazu. Als sie sich aufrichtete, sagte sie sehr ernst: »Das Messer gehörte zu meiner Kleidung wie mein Umhang oder meine Schuhe.«
»Du bist eine Frau.«
»Ja.« Jetzt stand sie nahe vor ihm. »Rorik, stimmt die Geschichte mit dem König wirklich? Wollte Einar mich wirklich an ihn verkaufen?«
»So berichtet es Kron.« Er wartete und wünschte, sie würde sagen, daß sie ihn nicht geheiratet habe, um das zu verhindern. Schweigend streifte sie die Schuhe ab und stellte sie neben die Truhe.
Dann hob sie den Blick. »Viele Mädchen werden ohne ihre Einwilligung an einen Ehemann verkauft. Vielleicht wollte Einar mir damit eine Ehre erweisen. Der Mann ist schließlich König. Vielleicht . . .«
»Mach dir nichts vor, Mirana. Einar hatte nicht die Absicht, dir damit eine Ehre zu erweisen.«
»Du hast recht. Wenn er mich ehren wollte, hätte er mit mir darüber gesprochen, hätte mit seinem Verhandlungsgeschick, mit seiner Klugheit geprahlt. Aber er schwieg.«
»Reden wir nicht von deinem Halbbruder. Wir werden uns heute nacht einer angenehmeren Beschäftigung widmen.«
Sie machte sich daran, das Kleid abzustreifen, hielt inne und blickte ihm direkt in die Augen. »Kurz nachdem du mich hierher gebracht hattest, hast du mir das Kleid heruntergerissen und mich betrachtet. Du hast mit meinen Brüsten gespielt. Das war kein Vergnügen, weder für dich, noch für mich. Es war abscheulich. Tust du das wieder?«
Er sah sie verwundert an. Er erinnerte sich an ihre Brüste, ihre Weichheit, ihre Schwere. »Ja, aber diesmal wird es anders sein. Wir werden miteinander spielen, und diesmal wirst du großes Vergnügen dabei haben.«
Sie schwieg lange. Dann machte sie eine Handbewegung zum Bett und zur Kleidertruhe. »Du warst schon einmal verheiratet und du hattest Frau und Kinder. Du kennst dich aus. Du hast jede Nacht bei einer Frau geschlafen und bist jeden Morgen neben ihr aufgewacht. Du kanntest ihre Gewohnheiten, ihre Eigenarten. Du weißt über Dinge Bescheid, die mir fremd sind. Das macht mich unruhig, Rorik. Ich fühle mich wehrlos wie ein Krieger ohne Waffen.«
Ingas Bild erstand vor seinem inneren Auge, ihr goldblondes Haar, das reifer Gerste gleich im Sonnenlicht glänzte. Ihre Stirn war gefurcht, ihre hellblauen Augen zu wütenden Schlitzen verengt. Sie schien sich über ihn zu ärgern. Seltsam, daß er sich an ihr Stirnrunzeln erinnerte und nicht an ihr Lächeln. Die Götter wie die Menschen wußten, daß im Leben beides existierte.
Wie sollte er Mirana dies erklären? Es würde Streit zwischen ihnen geben, aber auch gemeinsam erlebte Freude und glückliche Stunden. Mirana würde das selbst herausfinden. Zorn gegen ihn hatte sie bereits zur Genüge empfunden. Nun wollte er ihr Freude und Glück bereiten, um die Waagschale auszugleichen. Das war sein sehnlichster Wunsch.
»Deine Besorgnis wegen meiner Erfahrenheit und deiner Unschuld spielen bald keine Rolle mehr. Komm zu mir. Ich helfe dir aus dem Hemd.«
Mirana scheute sich, sich ihm nackt zu zeigen, wußte aber, daß es sein mußte. Sie mußte ihm vertrauen. Das Kleid lag ordentlich gefaltet in der Truhe, sie stand in ihrem dünnen Leinenhemd vor ihm, und er lächelte. »Setz dich aufs Bett, ich löse die Bänder aus deinem Haar.«
Sie setzte sich auf die Bettkante. Seine Finger öffneten behutsam ihre Zöpfe, ihr Haar fiel in sanft fließenden Wellen über ihre Schultern. Sie lächelte zu ihm auf.
»Jetzt fühle ich mich wohler.«
»Dein Hemd.«
»Ich möchte, daß du dich zuerst ausziehst, Rorik.«
Grinsend streifte er die Kleider ab und stand nackt vor ihr. »Du hast
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