Der Herr der Habichts - Insel
sagst, ich bin schmutzig. Kein Wikinger ist schmutzig. Ich bade jeden Tag im Badehaus. Und du nennst mich schmutzig. Wie meinst du das?«
»Laß mich in Frieden, Hafter. Du redest Unsinn.«
»Erst antwortest du. Du bist eine Sklavin. Du schuldest mir Gehorsam und Respekt. Antworte!«
Ohne Vorwarnung schnellte ihr Knie hoch und landete in seinem Unterleib. Er stieß einen entsetzlichen Schrei aus und ließ sie los. Entti hörte sein tierisches Gebrüll, sah, wie er in die Knie ging und seine Hände um sein Geschlecht krallte. Sie wollte losrennen. Als sie sah, wie die Männer sie anstarrten, hielt im Sprung inne, straffte die Schultern und blickte stirnrunzelnd auf seinen gesenkten Kopf. »Es tut mir leid«, sagte sie, kauerte sich zu ihm und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Es tut mir leid, Hafter. Das war gemein von mir. Du bist eben, wie du bist, und ich hätte dich nicht so streng bestrafen dürfen.«
Er stöhnte, immer noch mit gesenktem Kopf. Rorik verzog schmerzhaft das Gesicht, denn er konnte die furchtbaren Schmerzen nachfühlen, die den zusammengekrümmten Hafter durchfuhren.
Schließlich stieß Hafter keuchend hervor: »Das war hinterhältig von dir. Ich wünschte, du wärst wie früher.«
»Es tut mir leid. Ich mußte mich zur Wehr setzen. Weder du noch ein anderer Mann wird mich besteigen. Ich lasse es nicht mehr zu. Es war vorher schlimm genug, aber jetzt wäre ich eine Hure. Wenn du mir versprichst, deine Wollust zu zügeln, verspreche ich, es nie wieder zu tun. Es tut mir leid.«
»Willst du wirklich nie wieder das Bett mit mir teilen? Hat es dir denn nie Spaß gemacht?«
»Alle können dich hören. Sei still. Ich hatte mit keinem von euch Hegeln Spaß im Bett. Und von nun an laßt ihr mich in Ruhe. Steh auf, du hast genug gejammert. Du bist ein Mann. Steh auf.«
Hafter kam mühsam auf die Beine. »Ich habe nie eine Hure in dir gesehen, Entti.«
»Pah! Was dann, Hafter? Deine Mutter? Eine Jungfrau, die auf die Habichtsinsel kam, um bewundert und verehrt zu werden? Du mußtest doch nur mit den Fingern schnippen, und schon machte ich die Beine breit. Das ist vorbei. Was hast du denn in mir gesehen, wenn nicht eine Hure?«
Er sah sie lange an. »Du warst Entti. Du warst sanft und süß und hast mir alles gegeben, was ich wollte. Du hast mich nie angeschrien.«
Entti schnaubte verächtlich und wandte sich ab. »Du bist ein Narr«, sagte sie. »Bleib mir vom Leib!«
Alle Umstehenden beobachteten die seltsame Szene staunend.
»Das ist mehr als seltsam«, meinte Rorik endlich. »Wieso gibt er ihr keine Ohrfeige? Wieso sieht er sie so jammervoll an? Bei den Göttern, hätte ein Kerl ihn zu entmannen versucht, hätte er ihn längst umgebracht.«
»Er schrie, als würde er sterben«, sagte Mirana.
»Dieser Schmerz ist mit keinem anderen zu vergleichen. Schlimmer als eine Messerwunde, schlimmer als Magenkrämpfe von schlechtem Essen. Ich weiß nicht, was er mit ihr anstellt, wenn er sich davon erholt hat. Auch du hast schon mal versucht, mich zu entmannen. Doch ich war schneller als Hafter. Der Arme hatte keine Chance, so schnell war sie. Entti erstaunt mich immer wieder.«
»Sie kocht sehr gut.«
»Das wundert mich keineswegs. Ihr verfluchten Weiber . . .«
Sie kicherte belustigt. Er blickte sie an. Langsam lächelte er und entblößte seine weißen Zähne. Er beugte sich vor und küßte sie zärtlich auf den Mund.
»Wir wollen uns zum Festmahl begeben. Hafter und Entti kommen auch ohne uns zurecht.«
Es war schon spät. Der schöne Tag ging zur Neige, und dunkle Sturmwolken brauten sich zusammen. Der Wind fuhr in die Felder und knickte die Halme; die Fichten bogen sich knarzend im Sturm. Die Vögel waren verstummt, ebenso das Vieh und die Kinder. Auch Kerzog bellte nicht mehr. Er hatte den großen Kopf auf die Vorderpfoten gebettet und schnarchte vernehmlich, hatte er sich doch den Bauch tüchtig vollgeschlagen und jeden Knochen verschlungen, der ihm zugeworfen worden war.
Es begann zu regnen. Und die Nacht brach schnell herein. Rorik lächelte etwas einfältig, als er mit Mirana an der Seite seine Schlafkammer aufsuchte.
Er steckte die Fackel in den Wandhalter und wandte sich seiner Frau zu. Ihr Gesicht war gerötet, denn sie hatte einige Becher von dem süßen Wein aus den Weinbergen der südlichen Uferhänge der Seine getrunken. Sie sah schön aus, schmeichelte seinen Augen und seinen Sinnen.
»Außer diesem habe ich nur noch ein Gewand«, sagte Mirana verlegen und nestelte
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