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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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der Traum auch sein mochte. (So dachte ich damals, aber heute habe ich Zweifel, berechtigte Zweifel…)
    Ich setzte mich auf ein Stück herabgestürztes Mauerwerk und versuchte nachzudenken. Wie konnte es möglich sein, daß ich noch am Leben war? Seit dem Erdbeben mußten mindestens zwei Jahre vergangen sein - falls es sich um ein Erdbeben handelte -, und während meine Kleidung den normalen Prozessen der Zeit ausgesetzt gewesen war, zeigte mein Körper keinerlei solcher Veränderungen. Konnte ein Gas, wie ich es zuvor für die Fäulnis verantwortlich gemacht hatte, mich erhalten haben? Dies war die einzige Erklärung - und dazu eine ziemlich absurde. Diese Angelegenheit mußte sich schon ein gewitzter Wissenschaftler vornehmen, ich war dem nicht gewachsen. Meine Aufgabe war es nun, mich zurück in die Zivilisation durchzukämpfen, mit meinem Regiment Verbindung aufzunehmen und herauszufinden, was vorgefallen war, seit ich das Bewußtsein verloren hatte.
    Während ich über die Ruinen kletterte, versuchte ich, die unfaßbaren Gedanken aus meinem Kopf zu verdrängen und mich auf mein unmittelbares Problem zu konzentrieren. Doch es war schwierig, und ich konnte mich nicht ganz von dem Gedanken befreien, daß ich völlig den Verstand verloren haben könnte.
    Schließlich gelangte ich bei den bröckelnden Mauern an und stemmte meinen schmerzenden Körper darüber. Oben angekommen schaute ich auf der anderen Seite hinunter und suchte nach der Straße, die dort verlaufen war. An ihrer Stelle klaffte ein gähnender Abgrund, als sei der Fels weit aufgebrochen und als sei der Teil des Berges, auf dem die Stadt gestanden hatte, mindestens dreißig Meter verrutscht. Es bestand absolut keine Möglichkeit, auf die andere Seite zu gelangen. Ich begann zu lachen - ein heiseres, erschöpftes Gackern, dann packte mich ein trockenes, würgendes Schluchzen. Irgendwie hatte das Schicksal mein Leben verschont, nur um mich jetzt der Aussicht auszusetzen, eines langsamen, quälenden Hungertodes auf diesem leblosen Berg zu sterben.
    Erschöpft legte ich den Kopf nieder und mußte ein oder zwei Stunden lang tief geschlafen haben, denn als ich wieder erwachte, stand die Sonne tiefer am Himmel. Es war etwa drei Uhr am Nachmittag.
    Ich rappelte mich hoch, drehte mich um und begann, durch die Ruinen zurückzulaufen. Ich würde versuchen, zum anderen Ende der Stadt zu gelangen, um dort zu überprüfen, ob es nicht eine andere Möglichkeit gab, den Berg hinabzuklettern.
    Rings um mich her erhoben sich die schneebedeckten Berghänge des Himalaya: gleichgültig und unberührt. Und über mir spannte sich der blaßblaue Himmel, an dem nicht einmal ein Falke seine Bahn zog. Es war fast, als sei ich das letzte Lebewesen auf der Welt.
    Ich riß mich von dieser Gedankenkette los, denn ich wußte, daß Wahnsinn die Folge wäre, wenn ich mich solchen Theorien hingab.
    Als ich schließlich die andere Seite der Stadt erreichte, packte mich erneut Verzweiflung, denn an allen verbleibenen Mauerteilen fielen nackte Felswände mindestens mehrere hundert Meter tief hinab. Dies war sicher der Grund gewesen, warum man die Stadt hier errichtet hatte. Es gab nur einen Zugang - oder hatte ihn gegeben -, und das bedeutete, daß Teku Benga nur durch einen Frontalangriff zu nehmen war. Ich zuckte verzweifelt die Achseln und machte mir Gedanken, welche von den Pflanzen wohl genießbar waren. Nicht daß ich momentan hungrig gewesen wäre. Ich lächelte bitter. Warum sollte ich auch, nachdem ich mindestens zwei Jahre überlebt hatte, ohne zu essen? Der Witz ließ mich lachen. Es war ein irres Lachen. Ich riß mich zusammen. Die Sonne ging allmählich unter, und die Luft war kalt geworden. Letztendlich kroch ich in den Schutz zweier aneinander gelehnter Stücke Mauerwerk und fiel sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Der Morgen dämmerte, als ich wieder erwachte. Ich fühlte neue Zuversicht und hatte eine Art Plan entwickelt. Mein lederner Gürtel und meine Schulterriemen hatten durch die Zeit nicht gelitten, und waren noch, wenn auch ein wenig rissig geworden, recht zuverlässig. Ich würde die Ruinen nach weiteren Lederfetzen absuchen. Irgendwo mußten noch Vorratstruhen sein; und selbst den Überresten der Kumbalari-Krieger, die im Erdbeben umgekommen waren, würde ich meine verbliebene Kraft widmen, um genügend Leder zusammenzubekommen, daß ich ein Seil flechten konnte. Mit Hilfe eines Seiles konnte ich den Abstieg am Berg versuchen. Und wenn ich bei dem Versuch

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