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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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gebracht. Die anderen Dinge, die ich gesehen hatte, gehörten zu den Auswirkungen der Droge auf mein verängstigtes Gehirn. Auf irgendeine Weise war ich dem Schlimmsten des Erdbebens entgangen und so gut wie unverletzt. Ich bezweifelte, daß Sharan Kang und seine Leute soviel Glück gehabt hatten, doch ich mußte mich vorsichtig bewegen, als ich mich überzeugt hatte, daß sie nicht oben auf mich lauerten. Vermutlich waren der arme Risaldar Jenab Shah und die Ulanen in den Katakomben ums Leben gekommen. Doch wenigstens hatte die Natur vollbracht, was meine Aufgabe gewesen wäre - das Erdbeben würde sogar Sharan Kang befriedet haben. Selbst wenn er noch am Leben war, so hatte er sein Ansehen nun eingebüßt, denn jene seiner Leute, die noch lebten, würden das Erdbeben als Zeichen der Götter ansehen.
    Ich stand auf und warf einen Blick auf meine Hände. Sie waren so von Schmutz verkrustet, daß es aussah, als sei die Schicht nicht nur dick, sondern habe seit Jahrzehnten darauf gelegen. Und meine Kleidung hing in Fetzen. Als ich den Staub abklopfen wollte, fielen kleine Stoffetzen herab. Ich befühlte meine Jacke. Der Stoff war - wie verfault! Einen Augenblick lang war ich verwirrt, doch dann dachte ich mir, daß das Material vielleicht von einem Gas angegriffen war, das sich in den tieferliegenden Kammern des Tempels befand - ein Gas, das vielleicht in Verbindung mit der Droge verursacht hatte, daß ich unter solch seltsamen Halluzinationen litt.
    Als ich mich etwas besser in Form fühlte, trat ich so vorsichtig wie möglich meinen Weg zum oberen Rand der Grube an, die sich etwa zehn Meter über meinem Kopf befand. Ich war äußerst schwach und vor Furcht ganz steif, der Fels war nachgiebig und bröckelte häufig herab, wenn ich ihn prüfte, um einen Halt für meine Füße zu bekommen. Doch indem ich die Wasserspeier als Stufen benutzte, gelang es mir schließlich, bis zum Rand der Grube zu klettern, mich darüberzuhieven und vorsichtig um mich zu spähen.
    Nicht das geringste Anzeichen von Sharan Kang oder seinen Leuten war zu erkennen. Ehrlich gesagt, es war überhaupt nichts Lebendiges zu sehen, wo ich auch hinschaute, erblickte ich Ruinen. Kein einziges der Häuser von Teku Benga hatte das Erdbeben überdauert. Viele der Tempel waren wie vom Erdboden verschluckt.
    Ich stand auf und begann, über die gesprungenen Reste der Bodenfliesen zu gehen.
    Und dann blieb ich plötzlich stehen, denn ich bemerkte zum erstenmal, seit ich wach war, etwas, das ich mir nicht erklären konnte.
    Es waren keine Leichen zu sehen, wie man doch hätte erwarten können, wenn das Erdbeben sich vergangene Nacht ereignet hatte, wie ich dachte. Aber vielleicht war es den Leuten gelungen, aus der Stadt zu fliehen. Das leuchtete mir noch ein.
    Was mich jedoch stutzig machte, war nicht die Tatsache, daß Risse im Pflaster waren - sondern daß üppig Unkraut aus diesen Rissen gewachsen war?
    Und jetzt, da ich genauer hinschaute, erkannte ich überall auf den Ruinen Ranken, winzige Bergblumen und Flecken von Heidekraut. Diese Ruinen waren alt! Es mußte Jahre her sein, daß jemand sie bewohnt hatte!
    Ich leckte mir über die Lippen und versuchte, mich zusammenzureißen. Vielleicht befand ich mich überhaupt nicht in Teku Benga? Vielleicht hatte man mich von der Stadt Sharan Kangs fortgeschleppt, um mich zwischen den Ruinen einer anderen Stadt sterben zu lassen?
    Doch dies war sehr wohl Teku Benga. Ich erkannte die Ruinen mehrerer Gebäude wieder. Und es gab wohl kaum eine zweite Stadt wie Teku Benga, selbst im geheimnisvollen Himalaya.
    Abgesehen davon erkannte ich auch die umliegenden Berge und die Straße, die zu der früheren Stadtmauer emporführte. Und es war eindeutig, daß ich mich auf dem zentralen Platz befand, an dem der Tempel des Kommenden Buddha gestanden hatte.
    Erneut überkam mich ein Schauer der Angst. Wieder blickte ich auf meinen staubverkrusteten Körper hinab, auf die Gräser unter meinen rissigen Stiefeln und auf meine zerfallenen Kleider, auf die ganzen Anzeichen, Anzeichen, die meinen gesunden Menschenverstand verhöhnten, denn sie besagten, daß nicht Stunden, sondern Jahre verstrichen waren, seit ich geglaubt hatte, der Falle zu entrinnen, die Sharan Kang für mich vorbereitet hatte!
    Ob ich vielleicht immer noch träumte? Doch falls dies ein Traum war, so ähnelte er in keiner Weise jenen Dingen, die ich zuvor geträumt hatte. Und man kann einen Traum immer von der Realität unterscheiden, wie deutlich und schlüssig

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