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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Winch, die mich hochgezogen hatte, wurde nun von einem weiteren Uniformierten, zweifellos ›Bert‹, ausgeschaltet. Die beiden anderen kletterten an Bord, holten mit geübten Bewegungen die Strickleiter ein und schlössen die Luke, indem sie sie fest verschraubten.
    Im Raum befand sich noch ein Mann, der in der Nähe der ovalen Tür stand. Er trug ebenfalls Weiß, dazu jedoch einen Tropenhelm und Majorsterne auf den Epauletten seines Hemdes. Er war ein kleiner Mann mit scharfgeschnittenen, fuchsartigen Zügen, einem sauberen, kleinen, schwarzen Schnauzbart, den er mit dem Knauf seines Offiziersstöckchens glattstrich, während er mich mit undurchdringlicher Miene anstarrte.
    Nach einer langen Weile, in der seine großen, dunklen Augen mich von Kopf bis Fuß gemustert hatten, sagte er schließlich: »Willkommen an Bord. Sie sind Engländer?«
    Gerade hatte ich das Seil von meiner Brust abgestreift und salutierte. »Ja, Sir. Hauptmann Oswald Bastable, Sir.«
    »Armee, wie? Bißchen merkwürdig, wie? Ich bin Major Powell, Königlich-Indische Luftpolizei - wie Sie wahrscheinlich bemerkt haben, wie? Das hier ist das Patrouillenschiff Pericles .« Er kratzte sich seine lange Nase mit dem Offiziersstöckchen. »Erstaunlich - erstaunlich. Nun, wir werden uns später unterhalten. Zuerst einmal ins Schiffslazarett mit Ihnen, würde ich sagen, was?«
    Er öffnete die ovale Tür und trat zur Seite, während mir die beiden Männer hindurchhalfen.
    Nun befand ich mich in einem langen Korridor, der auf der einen Seite kahl war, auf der anderen befanden sich jedoch große Bullaugen. Durch sie konnte ich zusehen, wie die Ruinen von Teku Benga langsam unter uns verschwanden. Am Ende des Gangs war eine zweite Tür und dahinter lagen, nachdem wir um eine Ecke gebogen waren, mehrere Türen mit verschiedenen Aufschriften. Auf einer stand SCHIFFSLAZARETT.
    Drinnen standen acht Betten, die alle leer waren. Hier existierten alle Geräte eines modernen Krankenhauses, einschließlich einiger Apparate, deren Zweck ich nicht einmal erraten konnte. Man gestattete mir, mich hinter einem Wandschirm zu entkleiden und ein ausgiebiges Bad in einer Wanne zu nehmen, die sich dort befand. Ich fühlte mich danach schon viel besser, schlüpfte in einen Pyjama (ebenfalls weiß und himmelblau) und ging zu dem Bett, das man mir auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes vorbereitet hatte.
    Ich muß zugeben, daß ich mich in einer Art Trance befand. Es fiel mir schwer, nicht zu vergessen, daß ich mich in einem Raum befand, der in diesem Augenblick vermutlich mehrere hundert Meter über dem Himalaya flog.
    Gelegentlich gab es ein leichtes Schlingern von einer Seite zur andern oder einen seltsamen Ruck, wie man dies schon mal im Zug erlebte, und tatsächlich hatte ich eher das Gefühl, mich in einem Zug zu befinden, etwa in einem recht luxuriösen 1.-Klasse-Expreß.
    Nach ein paar Minuten betrat der Schiffsarzt den Raum und wechselte ein paar Worte mit dem Sanitäter, der gerade den Wandschirm zusammenfaltete. Der Doktor war ein jüngerer Mann mit großem, rundem Kopf und einer Mähne roten Haars. Wenn er sprach, hörte man den weichen, schottischen Akzent heraus.
    »Hauptmann Bastable, nicht wahr?«
    »Jawohl, Doktor. Ich glaube, mir geht es soweit gut. Jedenfalls körperlich.«
    »Körperlich? Und was meinen Sie, ist mit Ihrem Kopf nicht in Ordnung?«
    »Ehrlich gesagt, Sir, ich glaube, daß ich träume.«
    »Das dachten wir , als wir sie da unten entdeckten. Wie um alles in der Welt haben Sie es geschafft, in diese Ruinen hinaufzukommen?« Während er mir diese Fragen stellte, überprüfte er meinen Puls, sah sich meine Augen an und machte eben alles, was ein Arzt so tut, wenn er nichts Besonderes feststellen kann.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob Sie mir glauben würden, wenn ich Ihnen sagte, daß ich zu Pferd dort hinaufgeritten bin«, antwortete ich.
    Er stieß ein seltsames Lachen aus und steckte mir ein Thermometer in den Mund. »Nein, das würde ich Ihnen wohl nicht glauben! Hinaufgeritten! Ha!«
    »Tja«, sagte ich vorsichtig, nachdem er das Thermometer wieder herausgenommen hatte, »ich bin aber hinaufgeritten.«
    »Aha.« Ganz offensichtlich glaubte er mir nicht. »Wahrscheinlich glauben Sie das nur. Und das Pferd ist über den Abgrund gesprungen, wie?«
    »Der Abgrund war noch nicht da, als ich hinaufritt.«
    »Kein Abgrund…?« Er lachte laut hinaus. »Liebe Zeit! Kein Abgrund! Da war immer ein Abgrund seit - na, seit verdammt langer Zeit

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