Der Herr der Lüfte
Schwierigkeiten erst gar nicht gekommen.«
Also war Johnson auf meiner Seite gewesen! Indem er mich retten wollte und versuchte, die Behörden zu warnen, was an Bord der Rover vor sich ging, hatte er die ganze Katastrophe heraufbeschworen und seinen eigenen Tod verursacht.
Es war schrecklich. Johnson hatte tatsächlich versucht, mich zu retten. Und nun bat mich sein Mörder, ihn in Sicherheit zu bringen. Doch wenn ich es nicht tat, würden weitere Menschen sterben. Wenn auch einige von ihnen den Tod verdienten, so verdienten sie nicht, auf die Art zu sterben, die Shaw für sie vorgesehen hatte. Ich seufzte tief und ließ die Schultern hängen, als ich meine Antwort gab. Alle Heldentaten schienen jetzt sinnlos.
»Und ich habe Ihr Wort, daß niemandem etwas geschieht, wenn ich tue, was Sie wollen?«
»Sie haben mein Wort.«
»Nun gut, General Shaw. Ich werde dieses verdammte Luftschiff fliegen.«
»Das ist sehr vernünftig von Ihnen, alter Junge«, erklärte Shaw strahlend und hieb mir auf die Schulter. Er steckte seinen Revolver weg.
Als ich auf der Brücke ankam, wuchs mein Entsetzen nur noch angesichts des vielen Blutes, das auf Boden, Schott und Instrumenten verspritzt war. Zumindest einer war hier aus nächster Nähe erschossen worden - wahrscheinlich der arme Barry. Die Steuerleute standen auf ihren Posten. Sie sahen blaß und verstört aus. Jeder Steuermann wurde von zwei Banditen flankiert, die Patronengurte kreuzweise über die Brust geschlungen trugen, ihre Gürtel strotzten vor Messern und Handfeuerwaffen. Niemals in meinem Leben hatte ich eine mörderischere Bande als Shaws Anhängerschaft erlebt. Man hatte keinerlei Versuch unternommen, das Chaos zu säubern, Karten und Logbücher lagen noch am Boden herum, teilweise blutdurchtränkt.
»Ich kann gar nichts unternehmen, solange das hier nicht gesäubert ist«, erklärte ich finster. Shaw sagte etwas in Kantonesisch, worauf zwei der Banditen die Brücke verließen und mit Eimern und Wischlappen zurückkehrten. Solange sie an der Arbeit waren, besah ich mir die Instrumente, um mich zu überzeugen, daß sie noch funktionstüchtig waren. Abgesehen von ein paar Schrammen durch die Kugeln war nichts ernsthaft beschädigt bis auf das Funkgerät, das aussah, als hätte es jemand sachkundig zerstört, vielleicht Johnson selbst, ehe er zum Außengang lief.
Endlich waren die Banditen fertig. Shaw deutete auf die Hauptkontrollgeräte. Wir flogen sehr tief, kaum höher als 300 Fuß - eine gefährliche Höhe.
»Ziehen Sie sie auf siebenhundert Fuß hoch, Höhensteuermann«, sagte ich finster. Ohne ein Wort tat der Höhensteuermann, wie ihm geheißen. Die Nase des Schiffs neigte sich steil nach oben. Shaw kniff die Augen zusammen, seine Hand fuhr an sein Halfter, doch dann hatten wir auch schon die richtige Höhe erreicht. Ich fand die passenden Chinakarten und studierte sie.
»Ich denke, ich kann uns nach Wuchang bringen«, sagte ich. Falls nötig konnten wir der Eisenbahnlinie folgen, doch ich zweifelte daran, daß Shaw bereit war, eine Verzögerung hinzunehmen. Er schien es eilig zu haben, sich bis zum Morgen auf seinem eigenen Gebiet zu befinden. »Aber vorher möchte ich mich überzeugen, daß Kapitän Korzeniowski und die anderen noch am Leben sind.«
Shaw schürzte die Lippen und warf mir einen bösen Blick zu. Dann machte er auf dem Absatz kehrt. »Nun gut. Folgen Sie mir!« Wieder ein Befehl in Kantonesisch, und einer der Banditen folgte mir.
Wir kamen an die mittlere Kabine, Shaw zog einen Schlüssel von seinem Gürtel und öffnete die Tür.
Drei gequälte Gesichter starrten uns aus der Kabine entgegen. Um Kapitän Korzeniowskis Kopf war ein grober Verband geschlungen. Er war blutdurchtränkt. Sein Gesicht war aschfahl, und er sah viel älter aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Er schien mich nicht zu erkennen. Seine Tochter hatte seinen Kopf in ihren Schoß gelegt. Ihr Haar war zerzaust, und sie schien geweint zu haben. Sie warf Shaw einen verächtlichen, haßerfüllten Blick zu. Dutschke sah uns und schaute weg.
»Geht es… Ihnen gut?« fragte ich reichlich dämlich.
»Wir leben noch, Mr. Bastable«, antwortete Dutschke bitter, stand auf und drehte uns den Rücken zu. »Haben Sie das gemeint?«
»Ich versuche, Ihnen das Leben zu retten«, erklärte ich ein wenig dünkelhaft unter diesen Umständen, aber ich wollte sie wissen lassen, daß ein Bursche meines Schlages zu Großzügigkeit gegenüber seinen Feinden fähig war. »Ich werde dieses
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