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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Glück, überhaupt eine Luftschiffpassage zu bekommen.
    Wieder einmal - obwohl Saigon ein »freier« Hafen unter amerikanischer Herrschaft war - wurde ich von Graf Rudolf von Dutschke sorgsam bewacht, der mir nun weniger selbstsicher vorkam, als bei unseren früheren Begegnungen. Ihm war ganz offensichtlich unbehaglich zumute, und mir kam in den Sinn, daß die amerikanischen Behörden vielleicht Wind von der Mission der Rover bekommen hatten und an Bord unangenehme Fragen stellten. Auf jeden Fall starteten wir recht eilig und machten kaum drei Stunden, nachdem wir angelegt und aufgetankt hatten, unter voller Kraft schon wieder die Leinen los.
    Später am Abend vernahm ich von der gegenüberliegenden Seite des kleinen Gangs laute, streitende Stimmen. Ich erkannte die Stimmen von Dutschke, dem Kapitän, Barry und Una Persson - außerdem hörte ich eine andere, leisere und ruhigere Stimme, die ich nicht kannte.
    Ich verstand ein paar Worte - »Brunei«, »Kanton«, »Japaner«, »Shantung« - vorwiegend geographische Namen, die ich erkannte, doch es gelang mir nicht, den Anlaß des Streits herauszufinden.
    Ein Tag verging, und mir wurde nur einmal Essen gebracht - durch Una Persson, die sich entschuldigte, daß es eine kalte Mahlzeit war. Sie wirkte erschöpft und ziemlich besorgt. Ich fragte aus reiner Höflichkeit. Sie schaute mich verblüfft an und schenkte mir ein kleines, verwirrtes Lächeln. »Ich weiß nicht so recht«, war ihre Antwort, ehe sie wieder ging und die Tür wie üblich von außen verschloß.
    Es war Mitternacht, und wir mußten auf Kurs nach Brunei gewesen sein, als ich den ersten Schuß vernahm. Zuerst glaubte ich, daß einer der Motoren das Geräusch verursacht hätte, doch sogleich begriff ich, daß ich mich getäuscht hatte.
    Ich setzte mich auf - ich war immer noch voll bekleidet - und taumelte zur Tür, drückte mein Ohr dagegen und lauschte angestrengt. Nun hörte ich weitere Schüsse, Gebrüll, hastende Schritte. Was, um alles in der Welt, ging da vor sich? Hatten sich die Schurken untereinander zerstritten? Oder war, ohne daß wir es bemerkt hatten, eine amerikanische oder britische Polizeieinheit an Bord geschmuggelt worden?
    Ich trat an das Bullauge. Wir befanden uns nach wie vor in der Luft und flogen hoch über dem Chinesischen Meer, wenn meine Schätzung stimmte.
    Der Lärm eines Kampfes dauerte mindestens eine weitere halbe Stunde an. Dann fielen keine Schüsse mehr, nur zornige Wortwechsel waren noch zu hören. Dann verstummten auch sie. Ich hörte Schritte im Gang und wie der Schlüssel im Schloß zu meiner Tür umgedreht wurde.
    Licht brach herein und blendete mich.
    Ich blinzelte zu einer hohen Gestalt im Türrahmen empor, die in einer Hand einen Revolver, in der anderen den Türknauf hielt. Der Mann trug ein fließendes, asiatisches Gewand, doch sein hübsches Gesicht war eindeutig eurasisch - halb Chinese - halb Engländer, wenn ich mich nicht täuschte.
    »Guten Morgen, Leutnant Bastable«, sagte er in perfektem Oxford-Englisch. »Ich bin General O. T. Shaw, dieses Schiff steht nun unter meinem Kommando. Ich glaube, Sie haben einige Flugerfahrung. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir diese zur Verfügung stellen würden.«
    Vor lauter Erstaunen fiel mir das Kinn herab.
    Ich kannte diesen Namen. Wer kannte ihn auch nicht? Der Mann, der hier mit mir sprach, war weit und breit als der stolzeste Bandenchef bekannt, der die Zentralregierung der Chinesischen Republik bedrängte. Dieser Mann war Shuo Ho Ti - der Kriegsherr von Chihli!
    2 Das Tal der Morgendämmerung
    Mein erster Gedanke war, daß ich vom Regen in die Traufe geraten war. Aber dann fiel mir ein, daß es Gewohnheit vieler chinesischer Kriegsherren war, europäische Gefangene um des Lösegeldes willen gefangenzunehmen. Mit etwas Glück würde meine Regierung für meine Freilassung bezahlen. Ich lächelte innerlich bei dem Gedanken, daß Korzeniowski und seine Gesellschaft ahnungslos eine Bande noch schlimmerer Halunken als sie selbst an Bord genommen hatten. Das war die schönste Ironie des Schicksals überhaupt.
    General O. T. Shaw (oder Shuo Ho Ti, wie er sich für seine chinesischen Anhänger titulierte) hatte eine so große Armee von Banditen, Renegaten und Deserteuren zusammengestellt, daß sie weite Gebiete der Provinzen Chihli, Shantung und Kiangsu unter ihrer Kontrolle hielt und Shaw die Straßen zwischen Peking und Shanghai im Würgegriff hatte. Er forderte von den Zügen und Automobilen, die durch sein

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