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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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mich ein wenig über die Rivalitäten, die zwischen den Anarchisten herrschten - oder Sozialisten oder Kommunarden oder wie immer sie sich nennen mochten. Jeder schien seinen eigenen Traum zu haben, wie die Welt zu ordnen sei, und lehnte jede andere Version heftig ab. Wenn sie sich nur in einigen wenigen Punkten einigen könnten, dachte ich, könnten sie weit größere Erfolge zeitigen.
    Ich schaute aus dem Fenster, während ich mir das Gesicht abtrocknete. Shaw hatte durchaus Erfolge. Im Rosengarten sah ich Kinder der verschiedensten Altersstufen und Nationalitäten miteinander spielen und fröhlich lachen, während sie durch die Morgensonne liefen. Und auf den Wegen schlenderten Männer und Frauen, unterhielten sich in aller Gemütsruhe miteinander und lächelten häufig. Einige waren offensichtlich verheiratet, und ich sah, daß eine Reihe Menschen farbiger Rassen mit weißen Partnern verheiratet war. Dies schockierte mich keineswegs, wie man hätte erwarten sollen. Es kam mir ganz natürlich vor. Ich dachte daran, wie die Stadt nach Shaws Auskunft genannt wurde: die Stadt der demokratischen Morgendämmerung, die Stadt der Gleichheit. Aber war solche Gleichheit in der Welt draußen möglich? War Shaws Traumstadt nicht ein völlig künstlich konzipiertes Projekt? Ich äußerte diese Gedanken Dutschke gegenüber, der die Augen wieder aufgeschlagen hatte und fügte hinzu: »Es wirkt ganz friedlich - aber ist diese Stadt nicht auf die gleiche Weise auf Piraterie und Mord gebaut, wie London nach Ihren Aussagen auf Ungerechtigkeit?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich lege keinen großen Wert darauf, mich über Shaws Ziele zu unterhalten.« Dann blieb er eine Weile stumm. »Aber um fair zu sein«, sagte er dann, »kann man, glaube ich, schon sagen, daß die Stadt des Sonnenaufgangs ein Anfang ist. Sie ist nach Begriffen der Zukunft gebaut. London bedeutet ein Ende - die Abschlußkonzeption einer sterbenden Ideologie.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Europa hat seinen Traum ausgeträumt. Es besitzt keine Zukunft. Die Zukunft liegt hier in China, das einen neuen Traum, eine neue Zukunft besitzt. Sie liegt in Afrika und Indien, im Mittleren und im Fernen Osten - vielleicht auch in Südamerika. Europa liegt im Sterben. Einerseits bedaure ich das. Doch ehe es stirbt, bietet es einige Vorstellungen dessen, was jenen Ländern möglich ist, das es entehrt hat…«
    »Wollen Sie sagen, daß wir dekadent sind?«
    »Wenn Sie so wollen, ja. Aber so habe ich es nicht gesagt.«
    Da ich seiner Überlegung nicht ganz folgen konnte, gab ich sie auf. Ich fand meine Kleider frisch gereinigt und gebügelt am Fußende meines Bettes vor und zog sie an.
    Ein paar Minuten später klopfte es an der Tür, und ein sehr alter Mann trat ein. Sein Haar war völlig weiß, und er hatte einen langen, weißen Kinnbart nach Art der Chinesen. Er trug einfache Baumwollkleidung und stützte sich auf einen Stock. Er sah aus, als sei er hundert Jahre alt und hätte eine Menge von der Welt gesehen. Als er das Wort ergriff, klang seine Stimme heiser, hoch und hatte einen starken, wie ich feststellte, russischen Akzent.
    »Guten Morgen, junger Mann. Guten Morgen, Dutschke.«
    Dutschke richtete sich von seinem Bett auf, all seine Trübsal war vergessen, so strahlte er.
    »Onkel Wladimir! Wie geht es dir?«
    »Ganz gut, doch in letzter Zeit macht mir mein Alter etwas zu schaffen.«
    Dutschke machte uns miteinander bekannt, als der alte Mann in einem der bequemen Sessel Platz nahm. »Mr. Bastable, das ist Wladimir Iljitsch Uljanow. Er war schon Revolutionär, als wir noch nicht geboren waren!«
    Ich korrigierte ihn in diesem Punkte nicht, sondern reichte dem alten Russen die Hand.
    Dutschke lachte. »Mr. Bastable ist überzeugter Kapitalist, Onkelchen. Er mißbilligt uns alle - nennt uns Anarchisten und Mörder!«
    Uljanow kicherte ohne Groll. »Es ist immer ulkig zu hören, wie der Massenmörder den anklagt, den er zu vernichten trachtet. Ich werde niemals die tausend Beschuldigungen vergessen, die man mir in Rußland in den Zwanzigerjahren angehängt hat, ehe ich ins Exil mußte. Seiner Zeit war Kerenski Präsident - ist er immer noch im Amt?«
    »Er ist letztes Jahr gestorben, Onkelchen. Sie haben jetzt einen neuen Präsidenten gewählt. Prinz Suchanow ist jetzt Vorsitzender der Duma.«
    »Und zweifellos genauso ein Speichellecker der Romanows wie sein Vorgänger. Die Duma! Ein Zerrbild der Demokratie. Ich war ein Narr, mich dort hineinwählen zu lassen. Das ist nicht

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