Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
Parade es nicht aus der Wand ziehen würde. Es würde ja auch gar nicht in die Zelle passen. An der Zellentür gab es eine Klappe, durch diese hatte man uns mithilfe einer Holzstange einen Krug mit einem breiten Boden hineingeschoben, der ebenfalls an einer Kette hing. Der Krug stand neben der Schüssel und enthielt Wasser, um sich zu waschen oder den Durst zu stillen.
Die Kette an meinem linken Fuß endete in einem Loch hoch oben im stählernen Türrahmen. Armin hatte es mir erklärt. Bevor jemand die Zelle betrat, zog man an dieser Kette, bis der Fuß hoch in der Luft hing und der Gefangene zwischen Hand- und Fußkette verspannt war. Dann hakte man draußen die Kette in einen massiven Stift ein. Danach erst wurde die Tür geöffnet.
»Wir haben Glück, dass man uns zur Kommandantur gebracht hat«, erklärte mir Armin. »Da hier so viele Botschaften liegen und so viele Fremde unterwegs sind, die die Sitten nicht kennen, aber unter Umständen wichtig sind, hält man diese Zellen sauber und bleibt höflich. Das Wachhaus am Osttor ist anders. Da stößt man die Gefangenen in ein Loch, und will man sie wiederhaben, wirft man ein Seil hinab. Es ist ein Spiel dort, dass die Soldaten einem nie sagen, wer klettern soll. Sie warten, bis man oben ist, und ist man nicht der, den sie wollen, stoßen sie einen wieder hinunter.« Er seufzte und legte sich mit einem leisen Kettenrasseln bequemer hin. »Angeblich gibt es hier nicht einmal Ratten. Morgen sind wir wieder draußen.«
»Und die Bastonade?«
»Die ist schmerzhaft. Wir werden kaum gehen können, wenn sie fertig sind, und werden blutige Spuren am Boden hinterlassen. Da wir das Geld zurückerhalten, können wir uns eine Sänfte leisten. Wir werden dankbar dafür sein. Ihr werdet Eure schönen neuen Stiefel nicht anziehen wollen, Herr.« Er warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. »Wenn kein Priester helfen will, werde ich eine oder zwei Wochen nicht laufen können. Ihr hingegen habt es besser. Ich habe gehört, Ihr braucht nur ein Ferkel.«
Ich überhörte das mit dem Ferkel. »Mir wäre es lieber, wir wären gar nicht hier«, grummelte ich. »Dieser Hauptmann! Wie kann man nur so stur sein! Es war die reine Wahrheit,«
»Er war nicht stur, Herr. Er hat Euch ja geglaubt. Obwohl man hier die Wahrheit gewiss selten hört. Aber es ist, wie es ist. Der Zeuge hat einen guten Leumund, und ich habe ihm das Silberstück gegeben.« Er seufzte. »So wird man für Freundlichkeit belohnt! Hätte der Hauptmann Euch nicht geglaubt, wäre unsere Lage misslicher.« Er sah mich fast bewundernd an. »Es war schon beeindruckend, wie glaubhaft Ihr wart …«
»Es war die Wahrheit, Armin«, wies ich ihn milde zurecht.
»Ja, aber diese Wahrheit auch glaubhaft auszusprechen ist wahrlich eine Kunst. Wirklich, manchmal sind gute Lügen leichter zu glauben. Seht Ihr, Ihr habt ja auch gelogen. Ihr sagtet, diese Steine wären verflucht und …«
Irgendetwas polterte und rasselte draußen im Gang.
»Armin«, sagte ich leise. »Ich habe Kopfschmerzen. Im Moment möchte ich auch deine Stimme nicht mehr hören.«
Überraschenderweise öffnete sich die Zellentür, ohne dass uns die Beine langgezogen wurden. Eine zierliche Frau in einem kostbaren dunkelblauen Umhang betrat die Zelle und schlug die Kapuze zurück. Eine große Perle schimmerte auf ihrer Stirn. Als sie ihren Schleier löste, lächelte sie spitzbübisch, während ihre flinken Augen unsere missliche Lage begutachteten.
»Habt Ihr auch etwas dagegen, meinen Worten Gehör zu schenken, Havald Bey?«, fragte Faihlyd, Emira von Gasalabad. »Oder braucht Ihr Ruhe und wünscht, dass ich wieder gehe?«
Hinter ihr sah ich einen der Stadtsoldaten im Gang auf dem Boden liegen, Stirn und Nase fest auf die nicht allzu sauberen Bodensteine gedrückt, die Arme angewinkelt, weil er sich die Ohren zuhielt. Er bewegte sich nicht und schien sogar die Luft anzuhalten.
Ich fand es immer wieder beeindruckend, mit welchem Enthusiasmus sich die Leute vor Faihlyd auf den Boden warfen, um dann regungslos zu erstarren. »Nun, sie zeigen damit auch, welch treue Diener sie sind«, hatte Armin mir erklärt. »Außerdem lieben sie ihr Leben und wollen keine Missverständnisse heraufbeschwören.« Für diese Ehrenbezeugung, so hatte ich gelernt, gab es einen tieferen Grund. Der Mann war bewaffnet – das war in der Gegenwart eines Mitglieds der Emirsfamilie schon fast ein Todesurteil –, also demonstrierte er so seine Harmlosigkeit. Es war zudem praktischer,
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