Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
gehört«, sagte sie. »Gesellen und Schüler nicht eingerechnet.«
Ich spürte Seelenreißer neben mir und berührte ihn. »Entschuldigt bitte«, sagte ich, als ich aufstand und ihn ergriff.
»Was ist?«, fragte Leandra überrascht.
»Taruk sitzt draußen im Gang und poliert sein Schwert. Afala ist hier. Darsan schreibt etwas im Audienzzimmer. Ich habe ihn gesehen, als ich herkam. Alle anderen sind hier. Es könnte Darsan sein, der gerade über uns durch die Zimmer schleicht, aber ich glaube nicht daran. Er würde sich nicht in Ecken herumdrücken.«
»Im Zimmer über uns?«, fragte Natalyia.
Ich nickte. »Er bewegt sich langsam nach rechts. Ich bin gleich wieder zurück.«
Natalyia schüttelte den Kopf. »Es ist egal, ob du ihn selbst erledigst oder nicht. Also kann ich mich auch um ihn kümmern.«
»Bist du sicher?«, fragte ich.
Sie lächelte und legte ihren Schleier vor. »Ganz sicher«, sagte sie und verließ durch die Tür die Küche. Die Tür schloss sich hinter ihr, aber aus Seelenreißers Wahrnehmung war sie bereits verschwunden. Im Stein. Dafür sah ich, wie Taruk sich draußen umdrehte, auf die Tür sah und dann mit den Schultern zuckte. Er hatte sie gar nicht gesehen.
»Sagte ich schon, dass ich sie unheimlich finde?«, fragte Armin und schüttelte sich. »Sie ist schreckenerregend.«
»Ich mag sie«, sagte Serafine überraschend, und ich schaute sie fragend an. »Sie ist so offen«, erklärte sie.
»Sollten wir nicht nachsehen?«, fragte Armin beunruhigt und besah sich die Decke.
»Das ist nicht nötig«, entgegnete ich, denn ich hielt noch immer Seelenreißer.
In seiner Wahrnehmung war nur das wichtig, was lebte, alles andere berührte ihn nicht. Er teilte diese Wahrnehmung mit mir, wenn ich ihn berührte. Als ich blind war, hatte ich gelernt, ihm zu vertrauen. Für ihn war der Stein um uns herum nur schwarzes Glas. Es war allerdings weniger ein Sehen als vielmehr ein Fühlen. Wenn Natalyia im Stein war, nahm er sie nicht wahr. Aber wir beide spürten sie, als sie den Stein hinter dem Nachtfalken verließ und anschließend wieder im Stein verschwand. Sie hielt sich wirklich nicht lange mit ihm auf, kaum länger als einen Atemzug war sie für uns nicht sichtbar, dann verlosch das Leben in dem anderen.
Natalyia kam wieder zur Tür herein, löste ihren Schleier und setzte sich. »Er war älter«, sagte sie zu mir. »Er war schnell und wachsam. Hielt seinen Rücken an der Wand.« Sie griff nach ihrem Becher.
»Das ist irgendwie unlauter«, meinte Armin.
Sie schenkte ihm eines ihrer schönsten Lächeln. »Wirklich? Ich fand es praktisch.«
19. Die Falken der Nacht
»Entschuldigt, Esserin«, sagte Afala und rang fahrig die Hände. »Wir haben jetzt drei Leichen im Haus, was sollen wir mit ihnen machen?«
Leandra sah mich an. Was sollte ich sagen?
»Ich werde sie zusammen mit Taruk in den Wachraum legen.« Sie meinte den kleinen Raum nahe der Halle. Er hatte vergitterte Fenster und war wohl einst ein Wachraum gewesen, da sich dort ein leeres Waffenregal an der Wand verankert fand. Wir hatten keine Wachen und der Raum wurde, wie viele andere, nicht benutzt. Eine andere Möglichkeit wäre der Keller, aber dazu müsste man die Toten durch die Küche tragen. Das wollte im Moment auch keiner.
»Ich kann sie in der Wand verschwinden lassen«, schlug Natalyia vor.
Ich sah sie entsetzt an. Der Gedanke, Leichen in den Wänden zu haben, sagte mir noch viel weniger zu.
»Ich will keine ruhelosen Geister in der Wand«, sagte auch Leandra entschieden, fast schon empört. »Wenn wir fertig sind, lassen wir sie verbrennen.«
»Habt Ihr denn gar keine Angst?«, fragte Taruk, als er mir half, den anderen Nachtfalken zu entkleiden. Auch er war nicht groß genug, aber immerhin ähnelten Hose und Hemd sehr den Sachen, die auch wir trugen.
»Angst? Ich habe immer Angst, wenn man mich umbringen will«, sagte ich zu Taruk.
Das Amulett verstaute ich wiederum in einem Beutel, danach sah ich mir den Rest seiner Ausrüstung an. Hauptsächlich handelte es sich um Dolche, dazu zwei kleine Wurfpfeile, eine Handarmbrust. Sie war zierlich, aber auf kurze Distanz tödlich, vor allem wenn Gift auf den Bolzen war. Das hielt ich für wahrscheinlich. Es gab ebenso einen Glasdolch, der in einer stählernen Scheide steckte, damit er nicht aus Versehen zerbrach, eine Garotte sowie zwei Teile, die ich nicht identifizieren konnte, bis ich verstand, dass es kleine Platten mit Krallen an der Vorderseite und einem Lederband
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