Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
und der führte durch die Tür. Ich erhob mich mühsam und begab mich zum vorderen Gitter. Von dort aus konnte ich den Zellengang entlang sehen. Er endete auf beiden Seiten mit schweren Türen in stabilen Steinwänden.
Ich ging hinüber zu Ibra und kniete mich neben dem Gitter hin, sodass meine Stimme nur ihn erreichte.
»Was wird geschehen, wenn ich den Aufseher niederschlage und mit seinen Schlüsseln zu entkommen versuche? Werden die anderen bereit sein, mir zu helfen?«
Er hob den Kopf und grinste breit. »Vergiss es. Du wirst ihn nicht besiegen, und sollte es dir gelingen, wird man dich erwischen und elendig verrecken lassen. Es ist ein weiter Weg bis in die Freiheit. Mit vielen geschlossenen, verriegelten und gut bewachten Türen. Keiner wird dir helfen, auch ich nicht, der Preis ist zu hoch. Man wird dich aber auch nicht hindern. Unsere guten Wünsche werden dich begleiten, aber mehr nicht.« Er musterte mich. »Du denkst wirklich, du könntest den Aufseher besiegen? Schau dich an, du kannst kaum stehen!«
Richtig. Das wusste auch der Aufseher. Wer würde von jemandem Ärger erwarten, den er eben erst zu Brei geschlagen hatte?
»Wie kriege ich ihn dazu, in meine Zelle zu kommen?«
»Fang Streit an«, flüsterte er. »Am besten bringst du jemanden um. Dann wird es ihm auf jeden Fall ein Bedürfnis sein, dich aufzusuchen.« Er überlegte. »Vielleicht hast du Glück. Denn du bist allein in deiner Zelle. Der Aufseher ist vorsichtig, und wenn er zu uns kommt, hat er immer vier bis fünf Männer dabei.« Er grinste schief. »Es gab schon andere, die der Meinung waren, sie könnten ihn besiegen und so entkommen. Aber bei dir, so geschunden wie du bist und allein in deiner Zelle? Es kann sein, dass er allein kommt.«
Ich sah ihn nachdenklich an. »Wenn ich dir sage, dass ich es schaffen werde, zu entfliehen, wirst du dann dein Glück mit mir versuchen?«
»So gewiss bist du dir? Ich wünsche dir Glück, Freund. Aber ich werde nicht mit dir gehen. Wozu auch? Selbst wenn wir der Arena entkommen sollten, werden mich die Wachen irgendwann später aufgreifen, und dann ziere ich das Tor der Reue. Sie werden mich kastrieren, bevor sie mich blutend in einen Käfig sperren. Da versuche ich mein Glück lieber hier. Ich habe vierzehn Kämpfe überlebt.«
»Kastrieren? Warum?«
Er grinste mich an. »Ich bin ein Werkzeug der Götter. Wenn ich eine Frau in meine Finger bekomme, führt mich die Hand des Namenlosen. Je mehr sie leidet, desto mehr Freude bereitet es mir, und wenn ihr Licht in meinen Händen verlischt, dann lebe ich!«
Ich hätte nicht gedacht, dass man aus meinem geschundenen Gesicht eine Regung lesen könnte, doch er bemerkte meine Gedanken.
»Was, gefällt dir das nicht? Dachtest du, ich wäre ohne Grund hier? Nein.« Er sah auf seine Hände herab. »Ich hatte lange Zeit mein Vergnügen, bis eine mir entkommen ist.«
»Empfindest du denn keine Reue?«, fragte ich, wider Willen beeindruckt.
Er lachte und schüttelte den Kopf. »Wofür? Ab und an steht mir in der Arena eine Frau gegenüber. Alt oder jung, hässlich oder schön, es ist mir gleich. Ich bin zum Tode verurteilt worden, aber hier in der Arena johlt die Menge, wenn ich meiner Bestimmung folge.« Er grinste, seine Zähne ein schimmerndes Band im Halbdunkel. »Nun, Freund, willst du noch immer meine Begleitung?«
Ich sah ihm hart in die Augen. »Nein.«
Er betrachtete mich auf eine kuriose Art und Weise. »Ich sehe meinen Tod in deinen Augen«, sagte er dann leise, fast nachdenklich. »Was bedeuten dir diese Frauen? Du kennst sie nicht. Weißt du, dass du Sterne in deinen Augen hast?«
Ich stieß ihm meine gespreizten Finger in die Augen und brach ihm mit dem zweiten Schlag den Kehlkopf, sein Schrei erstickte in einem Gurgeln. In seinem Todeskampf fiel er vom Bett, ich verharrte in der gleichen Haltung wie zuvor, kniend am Gitter. Seine Zellengenossen sahen von mir zu ihm und taten nichts. Wir schauten zu, wie er starb. Wenn ich erwartet hatte, dass jemand jetzt einen Alarm auslöste, dann täuschte ich mich. Einer seiner Zellengenossen zog Ibra an die Tür, legte sich auf sein Bett und sah zu mir hinüber. Er sagte nichts weiter. Ich auch nicht.
Der Tritt in die Seite weckte mich und schleuderte mich hart gegen die Wand. Ich hatte gehofft, wach zu sein, wenn der Aufseher kam. Doch ich musste eingeschlafen sein, zu sehr hatte er mich geschunden. Es gab einen weiteren Fehler in der Planung, denn er war nicht allein. Ein Mann, eine der
Weitere Kostenlose Bücher