Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
gesehen habt. Bilbo besaß einen Harnisch aus Mithril-Ringen, den Thorin ihm geschenkt hatte. Ich möchte wissen, was daraus geworden ist. Vermutlich fängt er immer noch Staub im Mathom-Haus von Michelbinge.«
»Was?«, rief Gimli, so erstaunt, dass er sein Schweigen brach. »Einen Harnisch aus Moria-Silber? Ein königliches Geschenk!«
»Ja«, sagte Gandalf. »Ich habe es ihm nie gesagt, aber er ist mehr wert als das ganze Auenland mit allem, was darin ist.«
Frodo sagte nichts, steckte aber die Hand unters Hemd und betastete die Ringe seines Panzerhemds. Die Vorstellung, dass er unter der Jacke den Gegenwert des ganzen Auenlands mit sich herumtrug, machte ihn schwindlig. Ob Bilbo das gewusst hatte? Sicherlich. Es war wirklich ein königliches Geschenk. Aber nun waren seine Gedanken von den dunklen Minen nach Bruchtal hin abgelenkt worden, hin zu Bilbo und Beutelsend in den Tagen, als Bilbo noch da war. Von ganzem Herzen wünschte er sich dorthin und in jene Tage zurück, die mit Rasenmähen und Blumengießen hingingen und in denen er nie etwas von Moria gehört hatte, vom Mithril – oder vom Ring.
Tiefe Stille trat ein. Einer nach dem andern fiel in Schlaf. Frodo hatte Wache. Wie ein Atemhauch aus der Tiefe, der durch unsichtbare Türen eindrang, überkam ihn die Furcht. Seine Hände waren kalt, die Stirn feucht. Er horchte. Zwei langsam dahinkriechende Stunden lang horchte er mit angespannter Aufmerksamkeit, aber er hörte keinen Laut, nicht mal das eingebildete Echo eines Schritts.
Seine Wache war fast um, als er in einiger Entfernung, dort, wo seiner Schätzung nach der westliche Torbogen sein musste, zwei fahle Lichtpunkte zu sehen glaubte, fast wie Leuchtaugen. Er fuhr zusammen. Der Kopf war ihm auf die Brust gesunken. »Jetzt wäre ich doch beinah auf Wache eingeschlafen«, dachte er. »Ich muss am Rand eines Traums gewesen sein.« Er stand auf und rieb sich die Augen. In die Dunkelheit starrend, blieb er so stehen, bis Legolas ihn ablöste.
Nachdem er sich hingelegt hatte, schlief er schnell ein, aber der Traum schien sich fortzusetzen: Er hörte Geflüster und sah die zwei fahlen Lichtpunkte langsam näher kommen. Er erwachte und stellte fest, dass die andern ganz in der Nähe leise miteinander sprachen und dass ein trübes Licht ihm in die Augen fiel. Von hoch oben, über dem östlichen Torbogen, kam ein langer bleicher Strahl durch einen Schacht in der Decke; und auch auf der anderen Seite der Halle schimmerte etwas wie Licht durch den nördlichen Bogen.
Frodo setzte sich auf. »Guten Morgen!«, sagte Gandalf. »Denn endlich ist es mal wieder Morgen. Siehst du, ich hatte recht. Wir sind hoch oben auf der Ostseite von Moria. Bevor der Tag um ist, sollten wir das große Tor gefunden haben und den Spiegelsee im Schattenbachtal vor uns liegen sehen.«
»Mir soll es recht sein«, sagte Gimli. »Ich habe nun Moria gesehen, und es ist sehr groß, aber es ist ein finsterer, schrecklicher Ort geworden; und von meiner Sippe haben wir kein Zeichen gefunden. Ich habe jetzt Zweifel, ob Balin je hierher gekommen ist.«
Nachdem sie gefrühstückt hatten, bestand Gandalf wieder auf dem sofortigen Aufbruch. »Wir sind zwar noch müde, aber ausruhen können wir uns besser, wenn wir erst draußen sind«, sagte er. »Ich denke, niemand von uns hat Lust, noch eine Nacht in Moria zu verbringen.«
»Nicht im mindesten!«, sagte Boromir. »Welchen Weg sollen wir nehmen? Drüben durch den östlichen Torbogen?«
»Vielleicht«, sagte Gandalf. »Aber ich weiß noch nicht genau, wo wir sind. Wenn ich mich nicht vollkommen verschätzt habe, müssten wir oberhalb des großen Tors und etwas nördlich davon sein, und vielleicht ist es nicht ganz einfach, die richtige Straße zum Tor hinunter zu finden. Wahrscheinlich wird sich erweisen, dass wir durch den östlichen Bogen gehn müssen; aber bevor wir uns entscheiden, sollten wir uns umschauen. Gehn wir doch zu diesem Licht in der Nordtür. Wenn wir ein Fenster finden könnten, würde uns das helfen, aber ich fürchte, das Licht kommt nur durch Schächte herunter.«
Von ihm angeführt, gingen sie durch das nördliche Tor. Sie kamen auf einen breiten Korridor. Als sie dort weitergingen, wurde der Lichtschein heller, und sie sahen, dass er aus einer Türöffnung auf der rechten Seite kam. Es war eine hohe Öffnung mit gerader Oberkante; die steinerne Tür hing noch halb offen in den Angeln. Dahinter war ein großer viereckiger Raum. Das Licht war matt,aber nach dem langen
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