Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Schicksals nehmen ihren Lauf.«
»Noch eines wüsste ich gern, bevor wir gehen«, sagte Frodo, »etwas, wonach ich Gandalf schon seit Bruchtal immer fragen wollte. Wenn ich den Einen Ring tragen darf, warum kann ich dann nicht alle anderen Ringe sehen und die Gedanken ihrer Träger erfahren?«
»Du hast es nie versucht«, sagte sie. »Erst dreimal hast du den Ring auf den Finger gesteckt, seit du weißt, was es mit ihm auf sich hat. Versuch es nicht! Du gingest dabei zugrunde. Hat dir Gandalf nicht gesagt, dass der Ring nur nach den Maßen seines Besitzers Macht verleiht? Ehe du diese Macht gebrauchen könntest, müsstestdu weitaus stärker werden und deinen Willen darin üben, andere zu beherrschen. Immerhin hast du als Ringträger, der den Ring auch schon am Finger gehabt und das Verborgene gesehen hat, eine hellere Sicht gewonnen. Deutlicher als mancher, der für weise gilt, hast du meine Gedanken erkannt. Du hast das Auge dessen gesehen, der die Sieben und die Neun besitzt. Und hast du nicht den Ring an meinem Finger gesehen und erkannt? Hast du meinen Ring gesehen?«, fragte sie, sich wieder an Sam wendend.
»Nein, hohe Frau«, antwortete er. »Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich hab mich gewundert, worüber ihr bloß redet. Ich hab nur einen Stern durch deine Finger scheinen sehn. Aber wenn du mir ein offenes Wort gestattest, dann würd ich sagen, dass mein Master Frodo schon Recht hatte. Ich wollte, du nähmst diesen Ring. Du würdest schon alles ins Lot bringen. Du würdest nicht zulassen, dass sie den Beutelhaldenweg umgraben und den Ohm vor die Tür setzen. Du würdest gewissen Leuten ihre Gemeinheiten heimzahlen.«
»Ja, das würde ich«, sagte sie. »Damit finge es an. Aber ach, dabei bliebe es nicht! Reden wir nicht mehr davon! Gehn wir!«
ACHTES KAPITEL
ABSCHIED VON LÓRIEN
A n diesem Abend wurden die Gefährten abermals in Celeborns luftigen Palast hinaufberufen und vom Herrn und der Herrin aufs liebenswürdigste empfangen. Schließlich kam Celeborn auf ihre Abreise zu sprechen.
»Nun ist es an der Zeit«, sagte er, »dass diejenigen, welche die Fahrt fortzusetzen gedenken, ihr Herz von diesem Lande losreißen müssen. Wer nicht weitergehen will, mag noch eine Weile bleiben. Doch ob er bleibt oder geht, keiner kann des Friedens sicher sein. Denn wir kommen nun an die Schwelle des Schicksals. Wer will, mag hier den Anbruch der Stunde erwarten, zu der es sich entscheidet, ob entweder die Straßen der Welt wieder frei sind oder wir ihn bitten müssen, Lórien in seiner letzten Not beizustehen. Dann mag er sich entweder in seine Heimat oder aber zur langen Ruhe nach dem Tod in der Schlacht begeben.«
Schweigen trat ein. »Alle sind entschlossen weiterzugehen«, sagte Galadriel, nachdem sie ihnen in die Augen gesehen hatte.
»Was mich betrifft«, sagte Boromir, »so führt der Heimweg vorwärts und nicht zurück.«
»Gewiss«, sagte Celeborn, »doch werden auch alle Gefährten mit dir nach Minas Tirith gehen?«
»Welchen Weg wir nehmen wollen, haben wir noch nicht beschlossen«, sagte Aragorn. »Ich weiß nicht, wie Gandalf von Lothlórien aus weiterzugehen gedachte. Ich glaube nicht einmal, dass er selbst einen festen Plan hatte.«
»Vielleicht nicht«, sagte Celeborn, »doch kann niemand, wenn er dieses Land verlässt, den Großen Strom außer Acht lassen. Wiemanche von euch wissen, kann er zwischen Lórien und Gondor von Reisenden mit Traglasten nicht anders als mit Booten überquert werden. Und wurden nicht die Brücken von Osgiliath abgebrochen? Sind nicht alle Landeplätze dort in der Hand des Feindes?
Auf welcher Seite wollt ihr euch halten? Der Weg nach Minas Tirith liegt auf dieser Seite, am Westufer entlang; doch der gerade Weg zum Ziel der Fahrt liegt östlich des Stroms, am dunkleren Ufer. Welches Ufer zieht ihr nun vor?«
»Wenn mein Rat Gehör findet, das westliche und den Weg nach Minas Tirith«, antwortete Boromir. »Doch bin ich nicht der Führer auf dieser Fahrt.« Die anderen sagten nichts, und Aragorn schaute besorgt und unschlüssig drein.
»Wie ich sehe, wisst ihr noch nicht, was zu tun ist«, sagte Celeborn. »Nicht ich kann dies für euch entscheiden; doch will ich euch helfen, so gut ich kann. Manche unter euch können mit Booten umgehen: Legolas, dessen Volk den schnell fließenden Waldfluss befährt, Boromir aus Gondor und Aragorn, der Weitgereiste.«
»Und ein Hobbit!«, rief Merry. »Nicht alle halten wir Boote für wilde Pferde. Meine Sippe lebt an den
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