Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
vergeblich gewesen sein sollten. Damit wäre der Spaß erst recht verdorben.«
»In der Tat, es würde der Sache den einzigen Sinn nehmen, den ich darin sehen konnte«, sagte Gandalf.
»Also gut«, sagte Bilbo, »Frodo bekommt ihn mit allem übrigen.« Er holte tief Luft. »Und nun muss ich wirklich aufbrechen, sonst erwischt mich noch jemand. Ich habe schon Lebwohl gesagt, und einen zweiten Abschied könnte ich nicht ertragen.« Er hob den Rucksack auf und ging zur Tür.
»Du hast den Ring immer noch in der Tasche«, sagte der Zauberer.
»Ach ja, stimmt!«, rief Bilbo. »Und mein Testament und all die anderen Urkunden auch. Am besten, du nimmst es und übergibst es in meinem Namen. So ist es am sichersten.«
»Nein, gib den Ring nicht mir!«, sagte Gandalf. »Leg ihn auf den Kaminsims. Da liegt er sicher genug, bis Frodo kommt. Ich werde auf ihn warten.«
Bilbo nahm den Umschlag aus der Tasche, aber gerade als er ihn an die Uhr lehnen wollte, zuckte seine Hand zurück, und das Päckchen fiel zu Boden. Bevor er es aufheben konnte, hatte der Zauberer sich schon gebückt, es genommen und an seinen Platz gelegt. Das Gesicht des Hobbits wurde wieder starr vor Zorn, aber gleich darauf lockerte es sich in einem erleichterten Auflachen.
»Also, das wär’s«, sagte er. »Ich geh los.«
Sie traten hinaus auf die Diele. Bilbo nahm sich seinen Lieblingsstock aus dem Schirmständer; dann pfiff er. Drei Zwerge kamen aus verschiedenen Zimmern, in denen sie zu tun gehabt hatten.
»Alles fertig?«, fragte Bilbo. »Alles eingepackt und mit Schildchen dran?«
»Alles«, antworteten sie.
»Na, dann los!« Er trat aus der Tür.
Es war eine schöne Nacht, und der schwarze Himmel war mit Sternen gesprenkelt. Er blickte hoch und prüfte schnuppernd die Luft. »Was bin ich froh! Was bin ich froh, wieder loszugehn, mit Zwergen unterwegs zu sein! Das hat mir gefehlt, seit Jahren schon! Auf Wiedersehn!«, sagte er und blickte noch mal zu seiner alten Höhle zurück, mit einer Verbeugung zur Tür hin. »Auf Wiedersehn, Gandalf!«
»Auf Wiedersehn, Bilbo, einstweilen! Gib auf dich Acht! Alt genug bist du, und gescheit genug vielleicht auch.«
»Auf mich Acht geben? Ich denk nicht dran. Mach dir keine Sorgen um mich! Ich bin so glücklich wie nur je zuvor, und das will etwas heißen. Aber nun ist es Zeit. Nun endlich zieht es michfort«, fügte er hinzu, und dann, mit leiser Stimme, sang er im Dunkeln vor sich hin:
Die Straße gleitet fort und fort,
Weg von der Tür, wo sie begann,
Weit überland, von Ort zu Ort,
Ich folge ihr, so gut ich kann.
Ihr lauf ich raschen Fußes nach,
Bis sie sich groß und breit verflicht
Mit Weg und Wagnis tausendfach.
Und wohin dann? Ich weiß es nicht.
Er hielt einen Augenblick inne. Dann, ohne ein weiteres Wort, wandte er sich weg von den Lichtern und dem Stimmengewirr auf dem Festplatz und in den Zelten, ging von seinen drei Begleitern gefolgt durch den Garten und schritt den langen, abschüssigen Pfad hinab. Unten sprang er an einer niedrigen Stelle über die Hecke, schlug den Weg über die Wiesen ein und verschwand in der Nacht wie ein raschelnder Windhauch im Grase.
Gandalf blieb noch eine Weile stehen und sah ihm durch die Dunkelheit nach. »Lebe wohl, mein guter Bilbo – bis zu unserm nächsten Wiedersehen!«, sagte er leise und ging nach drinnen.
Bald darauf kam Frodo und fand ihn im Dunkeln sitzend, tief in Gedanken. »Ist er fort?«, fragte er.
»Ja«, antwortete Gandalf, »er ist schließlich doch gegangen.«
»Ich wünschte – ich meine, bis heute Abend hab ich gehofft, dass es nur ein Scherz war«, sagte Frodo. »Aber im Grunde wusste ich, dass er wirklich fort wollte. Er hat schon immer Witze gemacht über Dinge, die ihm ernst waren. Ich wünschte, ich wäre früher gekommen, um Abschied zu nehmen.«
»Ich glaube, ihm war es am Ende lieber, in aller Stille verschwinden zu können«, sagte Gandalf. »Mach dir nicht zu viele Sorgen. Erwird jetzt wohlauf sein. Er hat ein Päckchen für dich hinterlassen. Da liegt es!«
Frodo nahm den Umschlag vom Kaminsims und betrachtete ihn, ohne ihn zu öffnen.
»Darin findest du sein Testament und alle andern Urkunden, glaube ich«, sagte der Zauberer. »Du bist nun der Herr von Beutelsend. Und außerdem, vermute ich mal, wirst du einen goldenen Ring darin finden.«
»Den Ring!«, rief Frodo aus. »Den hat er mir auch dagelassen? Warum nur? Immerhin, vielleicht ist er ja nützlich.«
»Vielleicht ist er das, vielleicht nicht«,
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