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Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Titel: Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John R Tolkien
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wurde sichtbar, und der Fluss trieb die Boote darauf zu.
    »Seht dort, die Argonath, die Säulen der Könige!«, rief Aragorn. »Gleich werden wir sie passieren. Haltet die Boote in einer Reihe und so weit auseinander wie möglich. Bleibt in der Mitte der Strömung!«
    Als Frodo den großen Säulen entgegengetragen wurde, stiegen sie wie Türme vor ihm auf. Riesen schienen sie zu sein, ungeheure graue Recken, stumm und ernst. Dann sah er, dass der Fels bearbeitet und geformt war: Kunst und Macht der alten Zeiten hatten die Figuren geschaffen, und nach ungezählten Jahren, in denen sie der Sonne und dem Regen ausgesetzt waren, bewahrten sie noch immer das Abbild der mächtigen Gestalten, nach denen sie gehauen waren. Auf breiten Sockeln, die tief im Wasser ruhten, standen zwei große Könige aus Stein; und mit blinden Augen und rissiger Stirn blickten sie noch immer finster gen Norden. Beide hatten die linke Hand erhoben, die Handfläche abweisend nach außen gekehrt; in der Rechten trugen sie eine Axt und auf dem Kopf einen schon etwas abgebröckelten Helm mit Krone. Noch immer schienen Macht und Majestät sie zu bekleiden, die stummen Hüter eines längst entschwundenen Königreichs. Furcht und Scheu überkamen Frodo, und er duckte sich, schloss die Augen und wagte nicht hochzublicken, als das Boot sich den Standbildern näherte. Selbst Boromir senkte den Kopf, als die Boote durch die Lücke schossen, schwach und flüchtig wie schwimmende Blätter unter dem alten Schatten der Wachtposten aus Númenor. So fuhren sie in die dunkle Schlucht des Königstors.
    Steil stiegen auf beiden Seiten die drohenden Felsen in unabsehbare Höhen auf. Der blasse Himmel war sehr weit weg. Die schwarzen Fluten tosten und brüllten, und Wind pfiff über sie hin. Frodo hatte den Kopf auf die Knie gelegt; vorn hörte er Sam brummen und stöhnen: »Was für eine Fahrt! Was für eine grässliche Fahrt! Wenn ich aus diesem Boot je wieder rauskomme, stecke ich keinen Zeh mehr in eine Pfütze, und in einen Fluss schon gar nicht!«
    »Fürchtet euch nicht!«, sagte eine unbekannte Stimme hinter ihnen. Frodo drehte sich um und sah Streicher. Aber war das noch Streicher? Der wettergegerbte Waldläufer war nicht wiederzuerkennen. Am Heck saß Aragorn, Arathorns Sohn, stolz und kerzengerade, und steuerte das Boot mit geschickter Hand; die Kapuze hatte er zurückgeschlagen, sein dunkles Haar wehte im Wind, und seine Augen leuchteten: ein König kehrte aus dem Exil zurück in sein Land.
    »Fürchtet euch nicht!«, sagte er noch einmal. »Lange hab ich mir gewünscht, Isildurs und Anárions, meiner Vorfahren, Standbilder zu sehen. Nichts zu fürchten hat unter ihrem Schatten Elessar, derElbenstein, Arathorns Sohn aus dem Hause Valandils, der Isildurs Sohn und Elendils Erbe war.«
    Dann erlosch das Leuchten in seinen Augen, und er schien mit sich selbst zu sprechen: »Wenn doch Gandalf nur da wäre! Wie sehn ich mich nach Minas Anor und den Mauern meiner Stadt! Aber wohin soll ich nun gehn?«
    Die Schlucht war lang und dunkel, erfüllt vom Pfeifen des Windes und dem Brausen des Wassers, das an den Felsen widerhallte. Sie machte eine leichte Biegung nach Westen, sodass vor ihnen zuerst alles dunkel war; aber bald sah Frodo voraus einen hohen Lichtspalt, der immer größer wurde. Rasch kam er näher, und gleich darauf schossen die Boote auf eine weite, freie Wasserfläche in hellem Licht hinaus.
    Die Sonne, längst von der Mittagshöhe herabgesunken, stand an einem windigen Himmel. Die eingezwängten Wasser breiteten sich in einen langen, ovalen See aus, den blassen Nen Hithoel, umgeben von steilen grauen Hügeln, auf deren Hängen Bäume standen, während die Kuppen kahl und kalt in der Sonne glänzten. Am entfernten südlichen Ende erhoben sich drei Gipfel. Der mittlere stand ein wenig vor den anderen und von ihnen getrennt, eine Insel im Wasser, um die der Strom seine blass schimmernden Arme schlang. Aus dieser Richtung, aber von noch weiter hinten, trug der Wind einen tiefen, anhaltenden Ton herüber, der wie ein ferner, dröhnender Donner klang.
    »Seht dort Tol Brandir!«, sagte Aragorn und zeigte nach Süden auf den hohen Inselberg. »Links davon der Amon Lhaw, rechts der Amon Hen, der Berg des Hörens und der Berg des Sehens. In den Zeiten der großen Könige befanden sich dort Hochsitze, auf denen Wachen unterhalten wurden. Aber auf Tol Brandir, so heißt es, hat kein Mensch oder Tier je den Fuß gesetzt. Ehe es Nacht wird, werden wir an den

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