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Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Titel: Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John R Tolkien
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aufrissen und zerfransten; und hoch im Süden schimmerte der Mond durch die dahinfliegenden Fetzen.
    Bei seinem Anblick wurde den Hobbits für einen Moment das Herz leichter; Gollum aber duckte sich und stieß leise Flüche gegen die weiße Fratze aus. Dann, als Frodo und Sam, die frischere Luft einatmend, zum Himmel starrten, sahen sie es kommen: eine kleine Wolke, von den verfluchten Bergen heranfegend, ein schwarzer Schatten aus Mordor, ein großes, drohendes Flügelwesen. Es glitt über den Mond und raste mit einem wüsten Schrei nach Westen davon, den Wind hinter sich lassend.
    Sie warfen sich flach hin, als könnten sie sich in dem kalten Boden verkriechen. Aber der fürchterliche Schatten schwenkte herum und kam zurück, nun in tieferem Flug direkt über sie hinweg, und fegte mit seinen scheußlichen Flügeln die letzten Sumpfdünste weg. Und schon war er wieder fort, flog heim nach Mordor, schnell wie Saurons Jähzorn; und hinter ihm drein brauste der Wind, die Totensümpfe kahl und stumpf zurücklassend. So weit das Auge reichte, bis hin zu den von fern drohenden Bergen, war die nackte Einöde mit Tupfen von Mondschein auf den Tümpeln gesprenkelt.
    Frodo und Sam standen auf und rieben sich die Augen wie Kinder, die aus einem bösen Traum erwachen und die Welt noch immer in friedliche Nacht gehüllt finden. Gollum aber lag wie betäubt am Boden. Mit Mühe brachten sie ihn wieder zur Besinnung, und eine ganze Weile wollte er den Kopf nicht heben, sondern blieb kniendauf die Ellenbogen gestützt, das Gesicht auf dem Boden und die breiten Hände über dem Hinterkopf.
    »Geister!«, wimmerte er. »Geflügelte Geister! Der Schatz ist ihr Herr. Die sehn alles, alles! Nichts bleibt denen verborgen. Die verfluchte weiße Fratze! Und die sagen alles IHM. ER sieht, ER weiß. Ach, gollum, gollum! « Erst als der Mond untergegangen war, weit im Westen hinter Tol Brandir, war er bereit, aufzustehen und den Marsch fortzusetzen.
    Von da an glaubte Sam bei Gollum eine Veränderung zu bemerken. Er wurde noch unterwürfiger und tat sehr freundlich; doch einige Male bemerkte Sam einen seltsamen Ausdruck in seinen Augen, besonders wenn er Frodo ansah; und mehr und mehr fiel er in seine alte Redeweise zurück. Und noch etwas machte Sam immer besorgter. Frodo schien erschöpft zu sein, zum Umfallen müde. Er sagte nichts, redete überhaupt fast gar nicht mehr und klagte nicht, aber er schritt dahin, als trüge er eine immer schwerer werdende Last. Langsamer und langsamer schleppte er sich voran, sodass Sam oft Gollum auffordern musste, zu warten, damit der Herr nicht zurückbliebe.
    Tatsächlich spürte Frodo, wie ihn der Ring an der Kette um seinen Hals mit jedem Schritt, der sie dem Tor von Mordor näher brachte, schwerer drückte. Allmählich empfand er ihn als ein echtes Gewicht, das ihn zum Boden hinzog. Doch weit mehr noch ängstigte ihn das Auge, wie er es bei sich nannte. Es war nicht nur die Last des Ringes, die ihn vornübergebeugt gehen ließ. Das Auge: das entsetzliche, immer deutlicher werdende Gefühl, dass ein feindlicher Wille von großer Stärke alle Schatten der Wolken, der Erde und des Fleisches zu durchdringen versuchte, um ihn zu sehen, ihn nackt und regungslos unter seinem tödlichen Blick zu bannen. So dünn, so dünn und löchrig waren die Schleier geworden, die diesen Blick noch fernhielten. Frodo wusste stets genau, wo das Herz und die Behausung dieses Willens sich befanden, ebenso sicher, wie man mit geschlossenen Augen erkennen kann, aus welcher Richtung dieSonne scheint. Er sah ihm ins Gesicht und spürte seine Kraft wie einen Faustschlag an die Stirn.
    Etwas dergleichen verspürte wahrscheinlich auch Gollum. Aber was in seinem Herzen vorging, wo das Drängen des Auges, die Gier nach dem Ring, der so nahe war, und sein halb nur aus Furcht vor dem kalten Stahl geleistetes Versprechen einander widerstritten, konnten die Hobbits nicht ahnen. Frodo verwendete keinen Gedanken darauf. Sam dachte fast nur noch an seinen Herrn, und er bemerkte kaum etwas von der dunklen Wolke, die sich ihm selbst aufs Herz gesenkt hatte. Er ließ Frodo nun vor sich gehen, behielt jede seiner Bewegungen im Auge, stützte ihn, wenn er strauchelte, und bemühte sich mit unbeholfenen Worten, ihm Mut zuzusprechen.
    Als es endlich Tag wurde, sahen die Hobbits überrascht, wie viel näher die unheilschwangeren Berge schon herangerückt waren. Die Luft war nun kälter und klarer, und die Wälle von Mordor, obwohl noch weit entfernt,

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