Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
durch Gras und Sträucher krochen. Alle trugen Maske, Kapuze und Stulpenhandschuhe, und bewaffnet waren sie wie Faramir und seine Begleiter. Binnen kurzem waren sie alle vorüber und verschwunden. Die Sonne stand fast im Süden. Die Schatten schrumpften.
»Wo nur dieser verflixte Gollum steckt«, dachte Sam, als er in den tieferen Schatten zurückkroch. »Er hat gute Aussichten, für einen Ork gehalten und aufgespießt oder von der gelben Fratze geröstet zu werden. Aber ich glaube, er wird schon auf sich aufpassen.« Er legte sich neben Frodo und schlief ein.
Er erwachte und glaubte, Hörnerblasen gehört zu haben. Die beiden Wachtposten standen sprungbereit im Schatten der Bäume. Dann erschallten die Hörner lauter und unverkennbar von oben, von der Kuppe des Hanges. Nun war ihm, als hörte er Rufe, auch wildes Gebrüll, aber nur leise, als käme es aus einer weitab gelegenen Höhle. Gleich darauf brach Kampfeslärm ganz in der Nähe los, etwas oberhalb ihres Verstecks. Er hörte deutlich das Klirren von Stahl an Stahl, das Hallen von Schwerthieben auf eiserne Helme, den dumpfen Aufprall der Klingen auf Schilde; Menschen schrien und brüllten, und eine Stimme rief laut und klar: »Gondor! Gondor!«
»Das hört sich an, als ob hundert Schmiede gleichzeitig draufloshämmerten«, sagte Sam zu Frodo. »Wenn’s nach mir geht, brauchen sie jetzt nicht mehr näher kommen.«
Aber der Lärm kam noch näher. »Da sind sie!«, rief Damrod. »Schaut! Ein paar von den Südländern sind aus der Falle ausgebrochen und flüchten von der Straße. Da kommen sie! Unsere Männer setzen ihnen nach, der Hauptmann voran.«
Sam, der unbedingt mehr sehen wollte, ging zu den beiden Wachtposten. Er kletterte auf die unteren Äste eines der größeren Lorbeerbäume. Für einen Augenblick sah er dunkelhäutige Menschen in Rot, die ein Stück weit entfernt den Hang hinunterrannten, verfolgt von Grüngekleideten, die die Fliehenden niedermachten. Es hagelte Pfeile. Dann stürzte plötzlich ein Mann die Böschung herab, an deren Fuß sie standen, brach krachend durch dünne Bäume und fiel fast auf sie drauf. Wenige Fuß weit von ihnen blieb er im Farn liegen, das Gesicht am Boden, um den Hals einen goldenen Kragen, unter dem grüne Pfeilfedern vorstanden. Seine scharlachroten Kleider waren zerfetzt, sein Panzerhemd aus übereinandergreifenden Bronzeplättchen gespalten und zerhauen, die schwarzen, golddurchflochtenen Zöpfe blutgetränkt. Seine braune Hand hielt noch das Heft eines abgebrochenen Schwertes umklammert.
Es war das erste Mal, dass Sam eine Schlacht mit ansah, in der Menschen gegen Menschen kämpften, und es gefiel ihm nicht sonderlich. Er war froh, das Gesicht des Toten nicht sehen zu müssen. Er hätte gern gewusst, wie der Mann hieß und wo er herkam, ob er wirklich von Herzen bösartig war oder mit welchen Lügen oder Drohungen man ihn in seiner Heimat vielleicht zu diesem langen Marsch bewogen hatte, ob er nicht eigentlich lieber in Frieden dort geblieben wäre – doch von all diesen Fragen, die ihm durch den Sinn huschten, wurde er schnell wieder abgelenkt. Denn als Mablung eben zu dem Gefallenen hintrat, erhob sich ein Lärm von ganz neuer Art: lautes Gebrüll und Gekreisch, übertönt von einem schrillen Röhren, das wie Trompetenschall klang. Dann erhob sich ein mächtiges Pochen und Stampfen, wie wenn große Rammböcke auf den Boden prallten.
»Gib acht! Gib acht!«, rief Damrod seinem Kameraden zu. »Mögen die Valar ihn ablenken! Mûmak! Mûmak!«
Zu seinem Erstaunen und Entsetzen, und später zu seinem Entzücken, sah Sam eine riesige Gestalt aus den Bäumen hervorbrechen und den Hang herabgestürmt kommen. Groß wie ein Haus oder noch viel größer kam sie ihm vor, ein grauer, rasender Berg. Furchtund Verwunderung mögen das Tier in den Augen des Hobbits noch ein wenig vergrößert haben, doch der Mûmak aus Harad hatte in der Tat gewaltige Ausmaße, und seinesgleichen findet sich heute nicht mehr in Mittelerde; und seine Nachkommen in späterer Zeit sind nur ein Schatten seiner Größe und Majestät. Immer näher kam er, auf die Beobachter zu, schwenkte dann im letzten Moment zur Seite ab und stampfte wenige Schritt entfernt an ihnen vorüber, dass der Boden unter ihren Füßen bebte: die Beine baumdick, die großen Ohren wie Segel aufgestellt, der lange Rüssel erhoben wie eine Riesenschlange, bevor sie auf ihr Opfer herabstößt, die kleinen roten Augen wutentbrannt. Von den emporgereckten hornartigen
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