Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Blick und sah den Hobbit scharf an. Ein junger Mann, dachte Merry, als er den Blick erwiderte, etwas kleiner und schlanker als die meisten andern. Kurz sah er zwei klare graue Augen glimmen, und ihn schauderte: Plötzlich schien ihm, dies war das Gesicht eines Hoffnungslosen, der auszog, den Tod zu suchen.
Weiter ritten sie die graue Straße am Schneeborn entlang, der über die Steine rauschte, durch die Dörfer Unterharg und Hochborn, wo viele Frauen mit traurigen Mienen aus dunklen Türen herausschauten; und so, ohne Horn und Harfe oder Männergesang, begann der große Ritt gen Osten, der die Sänger von Rohan nachher viele Menschenalter lang beschäftigte.
Vom dunklen Dunharg am Dämmertagsmorgen
Mit Than und Marschall ritt Thengels Sohn.
In Edoras fand er die alte Halle
Der Herren der Mark verhangen von Nebel,
Grau umwabert das goldne Gebälk.
Abschied nahm er von Alt und Jung,
Von Herd und Hof und heiligen Stätten,
Wo er lange gethront in den Tagen des Lichts.
Fort ritt er, Gefahr im Rücken,
Unheil ahnend, seinem Eid getreu.
Fünf Nächte und fünf Tage
Eilten sie ostwärts, die Eorlssöhne,
Durch Folde, Fennmark und Firienwald,
Sechstausend Speere gen Sunlending
Zu Mundburgs Mauern unterm Mindolluin,
Der Seekönigsstadt im südlichen Reich,
Von Feinden belagert, vom Feuer umzüngelt.
Verhängnis drängte sie. Dämmer umhüllte
Ross und Reiter, und ringsum in Stille
Verhallender Hufschlag: so heißt es im Liede.
Und tatsächlich dämmerte es, als der König nach Edoras kam, obwohl es um die Mittagsstunde war. Dort machte er nur kurz halt und verstärkte sein Heer um weitere fünf Dutzend Reiter, die zur Heerschau zu spät gekommen waren. Dann, nachdem er gegessen hatte, machte er sich bereit zum Aufbruch und sagte seinem Knappen freundlich Lebewohl. Merry bat ihn ein letztes Mal, ihn nicht zurückzulassen.
»Dies ist kein Ritt für ein Pony wie Stybba; ich sagte dir’s schon«, antwortete Théoden. »Und in einer Schlacht, wie wir sie auf Gondors Feldern zu schlagen gedenken, was wolltest du dabei tun, Herr Meriadoc, auch wenn du mein Schwertthan und an Mut größer als an Wuchs bist?«
»Wer kann es wissen?«, antwortete Merry. »Warum aber, o König, habt Ihr mich als Knappen angenommen, wenn ich nicht an Eurer Seite bleiben darf? Und ich möchte in den Liedern nicht nur als der erwähnt werden, der immer zurückgelassen wurde.«
»Ich habe dich um deiner Sicherheit willen in meinen Dienst genommen«, antwortete Théoden, »und auch, damit du tust, was ich befehle. Keiner von meinen Reitern kann dich mit in den Sattel nehmen. Käme es vor meinen Toren zur Schlacht, würden die Barden vielleicht deiner Taten gedenken; aber bis nach Mundburg, wo Denethor regiert, sind es hundert Wegstunden und zwei. Mehr muss ich nicht sagen.«
Merry verbeugte sich und ging unzufrieden davon; er betrachtete die Reihen der Männer. Schon machten sich die Schwadronen für den Ritt fertig: Man schnallte die Gürtel fester, machte sich an den Sätteln zu schaffen oder tätschelte die Pferde; und manch einer schaute besorgt zum immer tiefer hängenden Himmel auf. Ohne dass der Hobbit es bemerkte, trat ein Reiter hinter ihm heran und flüsterte ihm ins Ohr. » Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, heißt es bei uns«, sagte er, »und ich habe festgestellt, dass es stimmt.«
Merry blickte sich um. Es war der junge Reiter, der ihm am Morgen aufgefallen war. »Du willst doch auch dahin, wo der Herr der Mark hinreitet – ich seh es deinem Gesicht an.«
»Ja«, sagte Merry.
»Dann komm mit mir!«, sagte der Reiter. »Ich nehme dich vor mir in den Sattel und unter meinen Mantel, bis wir weit draußen sind und es noch dunkler wird als jetzt. So viel guter Wille darf nicht aufgehalten werden. Sag niemand etwas, sondern komm!«
»Ich bin dir sehr verbunden«, sagte Merry. »Ich danke dir, Herr … allerdings weiß ich deinen Namen nicht.«
»Nein?«, sagte der Reiter leise. »Dann nenne mich Dernhelm.« So kam es, dass Meriadoc, der Hobbit, als der König ins Feld ritt, vor Dernhelm im Sattel saß, und das große graue Ross Windfola trug sie beide ohne viel Mühe, denn Dernhelm war leichter als die meisten Männer, obwohl geschmeidig und von kräftigem Wuchs.
Hinaus ritten sie in das verdunkelte Land. Bei den Weidenbüschen, wo der Schneeborn in die Entwasser mündete, zwölf Wegstunden östlich von Edoras, hielten sie das erste Nachtlager. Und weiter ging es durch die Folde, dann durch die Fennmark, wo sich
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