Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
ihm diese Prüfung erspart. Denethor wandte sich an Gandalf und stellte ihm Fragen über die Rohirrim: welches ihre Absichtenseien und welche Stellung Éomer, der Neffe des Königs, bei ihnen einnehme. Pippin staunte, wie viel der Statthalter über ein so weit entferntes Volk zu wissen schien, obwohl es doch, dachte er, viele Jahre her sein musste, dass Denethor selbst außer Landes geritten war.
Bald winkte ihn Denethor heran und entließ ihn für eine Weile. »Geh zu den Rüstkammern der Zitadelle und lass dir Tracht und Rüstung der Turmwache geben. Sie werden für dich bereitliegen. Sie wurden gestern bestellt. Komme wieder, wenn du eingekleidet bist!«
Es war, wie er gesagt hatte, und bald sah sich Pippin in einer seltsamen Tracht ganz in Schwarz und Silber herausgeputzt. Er trug ein kleines Panzerhemd aus pechschwarzen, vermutlich stählernen Ringen und einen hochgewölbten Helm mit kleinen Rabenflügeln an beiden Seiten und einem silbernen Stern in der Mitte des Stirnreifs. Über dem Panzer lag ein kurzer Waffenrock, ebenfalls schwarz, doch auf der Brust mit dem silbernen Wappen des Baums bestickt. Seine alten Kleider wurden zusammengefaltet und weggelegt, doch durfte er den grauen Mantel aus Lórien behalten, allerdings nicht, um ihn im Dienst zu tragen. Er sah nun wahrhaftig, ohne dass er es wusste, ganz wie der Ernil i Periannath aus, der Fürst der Halblinge, wie die Leute ihn genannt hatten; aber ihm war nicht wohl dabei. Und das Dämmerlicht schlug ihm allmählich aufs Gemüt.
Den ganzen Tag war es dunkel und trüb. Vom sonnenlosen Morgen bis zum Abend hatte die Dämmerung sich vertieft, und alle Herzen in der Stadt waren bedrückt. Hoch oben kroch eine dicke Wolke aus dem Schwarzen Land langsam westwärts, von einem Kriegswind getragen, und verschlang das Licht; darunter aber war die Luft dick und unbewegt, als wartete das ganze Anduintal auf die ersten Donnerschläge eines verheerenden Gewitters.
Um die elfte Stunde, als er endlich für eine Weile frei hatte, kam Pippin heraus, um zu sehen, wo er sich bei Speise und Trank das Herz erleichtern und sich die Aufwarterei erträglicher machenkönnte. In der Schänke traf er wieder Beregond, der eben von einem Botenritt über den Pelennor zurückkam; er war bei den Wehrtürmen am Dammweg gewesen. Zusammen schlenderten sie zu den Mauern hinaus, denn in den Häusern kam Pippin sich eingesperrt vor, und selbst im Innern der hohen Zitadelle war es ihm zu stickig. Sie setzten sich wieder unter die Schießscharte auf der Bastei an der Ostseite, wo sie am Tag zuvor gegessen und geredet hatten.
Es war die Sonnenuntergangsstunde, aber die große Wolkendecke erstreckte sich nun schon weit nach Westen, und erst als die Sonne ins Meer sank, schlüpfte sie darunter hervor und konnte zum Abschied noch einen kurzen Strahlengruß entsenden, denselben, den auch Frodo an der Wegscheide auf den am Boden liegenden Königskopf fallen sah. Doch auf die Felder des Pelennor im Schatten des Mindolluin fiel kein Schimmer; sie blieben trüb und braun.
Pippin schien es schon Jahre her zu sein, dass er zuletzt hier gesessen hatte, in einer halb vergessenen Zeit, als er noch ein Hobbit gewesen war, ein munterer Reisender, den die überstandenen Gefahren kaum berührt hatten. Nun war er ein einzelner kleiner Soldat in einer Stadt, die sich auf einen gewaltigen Ansturm von Feinden gefasst machte, eingekleidet in die prächtige, aber düstere Uniform der Turmwache.
Zu anderer Zeit und anderswo hätte sich Pippin vielleicht über seinen neuen Aufputz gefreut, doch jetzt wusste er, dass das Ganze kein Spiel war, sondern todernst: Er war der Diener eines strengen Herrn, und sie waren in höchster Gefahr. Der Panzer war lästig, und der Helm drückte ihn. Den Waffenrock hatte er neben sich auf die Bank gelegt. Er wandte die müden Augen von den umdunkelten Feldern unten in der Ebene ab, gähnte und seufzte.
»Hat er dich müde gemacht, dieser Tag?«, sagte Beregond.
»Ja«, sagte Pippin, »sehr – müde vom Nichtstun und Warten. Viele langweilige Stunden hab ich mir vor der Tür meines Herrn die Beine in den Bauch gestanden, während er mit Gandalf, mit dem Fürsten Imrahil und anderen Würdenträgern verhandelte. Außerdem, Herr Beregond, bin ich’s nicht gewohnt, selber mit leeremMagen anderen beim Essen aufzuwarten. Eine schwere Prüfung, so was, für einen Hobbit! Du meinst sicher, ich sollte die Ehre besser zu schätzen wissen. Aber was taugt denn solch eine Ehre? Überhaupt,
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