Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Zeiten auf, aber von Faramirs Vorräten aßen sie die Hälfte dessen, was Sam noch im Rucksack hatte: trockene Früchte und eine kleine Scheibe Pökelfleisch; und dazu tranken sie einen Schluck Wasser. Auch aus den Pfützen im Tal hatten sie getrunken, und trotzdem waren sie schon wieder sehr durstig. In der Luft von Mordor lag etwas Bitteres, das den Mund austrocknete. Beim Gedanken an Wasser wurde selbst der zuversichtliche Sam kleinlaut. Hinter dem Morgai hatten sie die furchtbare Ebene von Gorgoroth zu überqueren.
»Schlaf du nun zuerst, Herr Frodo«, sagte Sam. »Es wird schon wieder dunkel. Ich schätze, dieser Tag ist bald zu Ende.«
Frodo ächzte und war fast schon eingeschlafen, bevor Sam ihn dazu aufgefordert hatte. Sam kämpfte gegen den eigenen Schlaf an; er nahm Frodos Hand und blieb still so sitzen, bis es tiefe Nacht geworden war. Dann, um sich wach zu halten, kroch er aus ihrem Versteck und schaute umher. Das Land schien voller knarrender, knackender und knisternder Flüstergeräusche zu sein, aber nichts von Stimmen oder Schritten. Weit im Westen hinter dem Ephel Dúath war am Nachthimmel immer noch ein wenig blasse Helligkeit. Zwischen den Wolkenfetzen über einer dunklen Felskuppe sah Sam dort für eine Weile einen weißen Stern funkeln. Sein Glanz traf ihn ins Herz, als er aus dem verfluchten Land aufschaute, und er schöpfte neue Hoffnung. Denn klar und kalt wie ein Sternenstrahl drang der Gedanke in ihn ein, dass der Schatten am Ende doch nur etwas Geringes und Vergängliches sei: Dieses Licht und diese erhabene Schönheit waren seinem Zugriff für immer entzogen. Sein Lied im Turm hatte er eher aus Trotz als in Hoffnung gesungen, denn da hatte er an sich selbst gedacht. Jetzt aber, für einen Moment, machte er sich über sein eigenes Schicksal und auch über das seines Masters keine Sorgen mehr. Er kroch wieder hinter das Gestrüpp, streckte sich neben Frodo aus und gönnte sich, alle Befürchtungen beiseiteschiebend, einen tiefen, ungestörten Schlaf.
Hand in Hand wachten sie zusammen auf. Sam war fast ausgeschlafen, bereit, es mit dem nächsten Tag aufzunehmen; doch Frodo stöhnte. Er hatte unruhig geschlafen und von lauter Feuersbrünsten geträumt, und das Erwachen brachte auch keinen Trost. Immerhin war sein Schlaf nicht ganz ohne Heilkraft gewesen: Er fühlte sich kräftiger, besser imstande, seine Bürde über die nächste Wegstrecke zu schleppen. Sie wussten nicht, wie spät es sein mochte und wie lange sie geschlafen hatten; doch nachdem sie ein wenig gegessen und getrunken hatten, stiegen sie weiter die Schlucht hinan, bis sie am Fuß eines steilen Hangs voller Kies und Felsgeröll endete. Hier gaben auch die letzten Pflanzen den Lebenskampf auf; und die Höhen des Morgai waren kahl, spitzzackig, ohne jeden Grashalm und unfruchtbar wie ein Schieferdach.
Nach langem Suchen und Umherirren fanden sie einen Weg für den Aufstieg, und als sie auf allen vieren kletternd die letzten hundert Fuß hinter sich gebracht hatten, standen sie oben auf dem Kamm. Sie gingen durch eine Spalte zwischen zwei dunklen Felszacken und befanden sich nun auf der Höhe des letzten Bollwerks um Mordor. Unter ihnen, etwa fünfzehnhundert Fuß tiefer, lag die Binnenebene, so weit ihr Blick reichte, eine formlose Düsternis. Der Wind wehte von Westen, und die dicken Wolken wurden hoch aufgetürmt und nach Osten abgetrieben; und dennoch fiel nur ein trübes Licht auf die öden Felder der Gorgoroth. Rauchschwaden schleppten sich über den Boden und sammelten sich in Mulden, und Dämpfe quollen aus Erdspalten.
Weit hinten, noch mindestens vierzig Meilen entfernt, sahen sieden Schicksalsberg, einen mächtigen Kegel, zu Füßen aschgraue Trümmerfelder, der Gipfel von Wolken umhangen. Mit seinen Feuern, die nun schwelend schlummerten, erschien er gefährlich wie ein riesiges schlafendes Untier. Dahinter hing ein großer Schatten, drohend wie eine Gewitterwolke, die Schleier von Barad-dûr, dem Dunklen Turm, der in der Ferne auf einem langen, von Norden vorspringenden Ausläufer des Aschengebirges stand. Die dunkle Macht war tief in Gedanken versunken, das Auge nach innen gekehrt, über Nachrichten grübelnd, die Zweifel und Bedenken weckten: Ein berühmtes Schwert sah es vor sich und dazu ein strenges, königswürdiges Gesicht; und für eine Weile kümmerte es sich wenig um andere Dinge; und die ganze gewaltige Festung, Tor an Tor und Turm über Turm, war in unheilbrütende Dämmerung gehüllt.
Mit einem
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