Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
sagte er. »Wenn dieser nette Umgangston in ganz Mordor Schule machen würde, blieben uns viele Sorgen erspart.«
»Still, Sam!«, flüsterte Frodo. »Es könnten noch andere in der Nähe sein. Anscheinend sind wir denen nur ganz knapp entwischt, und die Verfolger waren uns dichter auf den Fersen, als wir dachten. Aber das ist nun mal der Geist von Mordor, Sam, und er hat schon Schule gemacht, bis in den letzten Winkel. So geht es zu bei denOrks, schon immer, wenn sie unter sich sind; so jedenfalls heißt es in allen Geschichten. Aber viel Hoffnung kannst du daraus nicht schöpfen. Ihr Hass auf uns ist viel stärker; darin sind sie allesamt und allezeit einig. Wenn die beiden uns gesehen hätten, wäre ihr Streit sofort beigelegt gewesen – bis wir tot wären.«
Wieder schwiegen sie eine Weile still, und wieder war es Sam, der zuerst etwas sagte, diesmal flüsternd. »Hast du gehört, was sie von diesem Sabbermaul gesagt haben, Herr Frodo? Das ist Gollum. Hab ich’s dir nicht gesagt, der ist nicht tot?«
»Ja, ich erinnere mich. Und ich hab mich gefragt, woher du das wissen kannst«, sagte Frodo. »Also, erzähle mal! Ich glaube, wir rühren uns hier am besten nicht von der Stelle, ehe es ganz dunkel wird. Dann erkläre mir genau, woher du das weißt und was eigentlich alles passiert ist. Aber leise, wenn’s geht.«
»Ich versuch’s mal«, sagte Sam, »aber wenn ich an diesen Stinker denke, werd ich so wütend, dass ich brüllen könnte.«
Also blieben die Hobbits im Schutze des Dornbuschs sitzen, während das trübe Licht von Mordor allmählich der tiefen, sternlosen Nacht wich; und Sam flüsterte Frodo alles ins Ohr, wofür er Worte fand: über Gollums heimtückischen Angriff, über die entsetzliche Spinne Kankra und über seine Erlebnisse mit den Orks. Als er fertig war, sagte Frodo nichts, sondern nahm seine Hand und drückte sie. Endlich regte er sich wieder.
»Na, ich denke, nun müssen wir weiter«, sagte er. »Ich möchte nur wissen, wie lange es noch dauert, bis wir wirklich geschnappt werden und all dies Herumirren und Herumschleichen ein Ende hat, und dann ist alles vergeblich gewesen.« Er stand auf. »Es ist dunkel, und das Glas der hohen Frau können wir nicht benutzen. Verwahr es für mich, Sam! Ich könnte es nirgendwo hinstecken und müsste es in der Hand behalten, und die Hände werde ich in dieser Finsternis beide brauchen. Stich aber will ich dir schenken. Ich habe eine Orkklinge, aber ich glaube nicht, dass ich noch einmal einen Schlag damit führen soll.«
Es war schwierig und gefährlich, nachts durch das weglose Landzu gehen; doch langsam und mit viel Gestolper arbeiteten sich die Hobbits auf der Ostseite des felsigen Tals Stunde um Stunde weiter nach Norden vor. Als wieder graues Licht über die Berge im Westen sickerte, lange nachdem in den Ländern dahinter der Tag angebrochen war, suchten sie sich ein neues Versteck und schliefen abwechselnd jeder ein wenig. Wenn Sam wach war, dachte er ständig ans Essen. Schließlich, als Frodo erwacht war und davon sprach, dass sie nun etwas essen und sich für die nächste Wegstrecke bereitmachen sollten, stellte Sam die Frage, die ihn am meisten quälte.
»Verzeih, Herr Frodo«, sagte er, »aber hast du eigentlich eine Vorstellung davon, wie weit es noch ist?«
»Nein, keine klare Vorstellung, Sam«, antwortete Frodo. »In Bruchtal hat man mir, bevor wir aufbrachen, eine Karte von Mordor gezeigt, die in der Zeit vor der Rückkehr des Feindes gezeichnet wurde; aber ich habe sie nur undeutlich im Gedächtnis. Genau weiß ich noch, dass im Norden eine Stelle war, wo ein Vorsprung der westlichen Bergkette mit einem der nördlichen beinah zusammentrifft. Von der Brücke am Turm bis dahin müssen es mindestens zwanzig Wegstunden sein. Das könnte eine gute Stelle sein, um über die Berge nach Osten zu gehen. Allerdings sind wir, wenn wir dort hinkommen, vom Schicksalsberg weiter entfernt als zuvor, etwa sechzig Meilen. Ich schätze, von der Brücke aus haben wir jetzt etwa zwölf Wegstunden nordwärts zurückgelegt. Auch wenn alles gutgeht, werde ich den Berg kaum in einer Woche erreichen. Ich fürchte, Sam, die Last wird immer schwerer, und ich werde immer langsamer laufen, je näher wir ihm kommen.«
Sam seufzte. »Genau das hatte ich auch befürchtet«, sagte er. »Also, um vom Wasser gar nicht zu reden, wir müssen weniger essen, Herr Frodo, oder aber schneller vorankommen, wenigstens solange wir noch in diesem Tal sind. Wir haben grad
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