Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Straße dem alten Dorf jenseits der Wässer näherten, sahen sie die neue Mühle in ihrer ganzen mürrischen Abscheulichkeit: ein großer Backsteinbau, spreizbeinig über dem Bach stehend, den er mit einem dampfenden und stinkenden Ausfluss verunreinigte. Überall entlang der Wasserauer Straße waren die Bäume gefällt.
Als sie über die Brücke kamen und zum Bühl hinaufschauten, stockte ihnen der Atem. Selbst Sam, der in Galadriels Spiegel schon einiges gesehen hatte, war nicht gefasst auf den Anblick, der sich ihnen bot. Der alte Kornspeicher am Westhang war abgerissen und durch Reihen von Schuppen mit Teerdächern ersetzt worden. Alle Kastanienbäume waren verschwunden. Große Wagen standen durcheinander auf einem zerstampften Feld herum, das einmal eine Wiese gewesen war. Der Beutelhaldenweg war eine klaffende Sand- und Kiesgrube. Beutelsend, weiter oben, verschwand hinter einem Gewirr großer Hütten.
»Abgehauen haben sie ihn!«, rief Sam. »Sie haben den Festwiesenbaum abgehauen!« Er zeigte dahin, wo der Baum gestanden hatte, unter dem Bilbo einst seine Abschiedsrede gehalten hatte. Kahl und tot lag er auf dem Feld. Als ob seine letzte Hoffnung dahin wäre, brach Sam in Tränen aus.
Hämisches Gelächter ließ sie versiegen. Ein dicker Hobbit lümmelte sich an der niedrigen Mauer des Mühlenhofs, das Gesicht schmutzverschmiert, die Hände schwarz. »Gefällt dir nicht, was, Sam?«, lästerte er. »Warst schon immer ’ne Heulsuse. Ich dachte, du wärst mit einem von diesen Schiffen abgefahren, von denen du immer gefaselt hast, die segeln, segeln, segeln. Wieso bist du denn zurückgekommen? Wir haben jetzt viel zu tun hier im Auenland.«
»Sieht man«, sagte Sam. »Keine Zeit, sich zu waschen, aber Zeit, an der Mauer zu gammeln. Aber hör mal gut zu, Master Sandigmann! Ich hab hier im Dorf noch eine Rechnung aufzumachen, und die könnte zu lang werden für deinen Geldbeutel, wenn du noch lange so weiterblödelst.«
Timm Sandigmann spuckte über die Mauer. »Quatsch!«, sagte er. »Mir kannst du nichts anhaben, ich bin ein Freund vom Obersten. Aber dich wird er in die Mangel nehmen, wenn ich mir noch mehr Frechheiten von dir anhören muss.«
»Verschwende kein Wort mehr an diesen Narren, Sam!«, sagte Frodo. »Ich hoffe nur, nicht viele Hobbits sind schon so verkommen wie dieser. Das wäre schlimmer als alle Schäden, die die Menschen angerichtet haben.«
»Du bist ein unverschämter Dreckskerl, Sandigmann«, sagte Merry. »Und außerdem hast du dich schwer verrechnet. Wir gehen jetzt den Bühl hinauf, um deinen famosen Obersten von dort zu entfernen. Mit seinen Menschen sind wir schon fertig.«
Timm stutzte, denn erst jetzt sah er die Eskorte, die auf ein Zeichen von Merry nun über die Brücke marschiert kam. Er stürmte davon in die Mühle, kam mit einem Horn wieder heraus und blies laut hinein.
»Spar deine Puste!«, sagte Merry lachend, »ich kann’s besser.« Dann hob er sein silbernes Horn an die Lippen und stieß hinein, und sein heller Ton schallte über den Bühl; und aus den Höhlen und Schuppen und den hässlichen neuen Häusern von Hobbingen kam Antwort, die Hobbits strömten in Scharen herbei, und unter Jubelgeschrei folgten sie dem Trupp die Straße nach Beutelsend hinauf.
Oben, wo der Feldweg anfing, blieben die Begleiter stehen, und Frodo ging mit seinen Freunden allein weiter. Endlich kamen sie zu der einst so geliebten Höhle. Der Garten davor war vollgestellt mit Hütten und Schuppen, bis dicht an die alten Westfenster, denen alles Licht genommen wurde. Überall lagen Müllhaufen. Die Tür war zerkratzt, die Klingelkette hing lose herab, und die Klingel ging nicht. Auf ihr Klopfen meldete sich niemand. Schließlich drückten sie gegen die Tür, und sie ging auf. Sie traten ein. Die Höhle stank;überall Dreck und Durcheinander. Anscheinend war sie seit einiger Zeit nicht mehr bewohnt.
»Wo hat sich nur dieser elende Lotho verkrochen?«, sagte Merry. Sie hatten alle Räume durchsucht und außer Ratten und Mäusen nichts Lebendes angetroffen. »Sollen wir die andern die Schuppen durchsuchen lassen?«
»Das ist schlimmer als Mordor«, sagte Sam. »Viel schlimmer, in mancher Hinsicht. Es geht einem nahe, weil man hier zu Hause ist und weiß, wie alles war, bevor es verwüstet wurde.«
»Ja, das ist Mordor«, sagte Frodo. »Eben eins seiner Werke. Saruman hat die ganze Zeit für Mordor gearbeitet, auch wenn er geglaubt haben mag, auf eigene Faust zu handeln. Und ebenso diejenigen,
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