Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
auch nur kurze Zeit. Vielleicht kommt auch für dich noch der Tag. Sei nicht traurig, Sam! Du kannst nicht ewig entzweigerissen sein. Du wirst noch viele Jahre lang heil und ganz bleiben müssen. Du hast noch so viel Freude vor dir, noch so vieles zu erleben und zu tun!«
»Aber«, sagte Sam, und Tränen traten ihm in die Augen, »ich dachte, auch du würdest noch Jahr um Jahr am Auenland deine Freude haben, nach alldem, was du getan hast.«
»Das dachte ich auch einmal. Aber ich bin allzu tief verwundet, Sam. Ich habe das Auenland zu retten versucht, und es ist gerettet worden, doch nicht für mich. So geht es oft zu, Sam, wenn etwas in Gefahr ist: Der eine muss es aufgeben, es verlieren, damit die anderen es behalten können. Du aber bist mein Erbe: Alles, was ich hatte und hätte haben können, hinterlasse ich dir. Und du hast außerdem Rosie und Elanor; und ein kleiner Frodo wird auch noch kommen, eine kleine Rosie, ein Merry, eine Goldfranse und ein Pippin – vielleicht noch mehr, als ich jetzt voraussehen kann. Deine Hände und deinen Verstand wird man überall brauchen. Du wirst Bürgermeister, natürlich, und bleibst es, so lange du willst, und außerdem der berühmteste Gärtner unserer Geschichte. Du wirst Kapitel aus dem Roten Buch lesen und die Erinnerung an das entschwundene Zeitalter wachhalten, damit die Hobbits der großen Gefahr gedenken und ihr liebes Land umso mehr lieben. Und damit wirst du so viel zu tun haben und so glücklich sein, wie einer nur sein kann, solange dein Teil unserer Geschichte noch weitergeht. Komm nun, reiten wir!«
Und dann ritten Elrond und Galadriel weiter; denn das Dritte Zeitalter war vorüber, die Tage der Ringe waren verstrichen, und die Geschichten und Lieder jener Zeit hatten ein Ende. Mit ihnen rittenviele Elben aus dem Hohen Geschlecht, die es in Mittelerde nun nicht mehr hielt; und zwischen ihnen, erfüllt von einer seligen Trauer ohne Bitterkeit, ritten Sam, Frodo und Bilbo, von den Elben mit freudigen Ehrenbezeigungen begrüßt.
Mitten durchs Auenland ritten sie den ganzen Abend und die Nacht hindurch, doch niemand, bis auf die wilden Tiere, sah sie vorüberziehen; und nur hier und da mag ein nächtlicher Wanderer einen Schimmer gesehen haben, der unter den Bäumen dahinhuschte, oder ein Licht und einen Schatten, die übers Gras wehten, als der Mond gen Westen sank. Und als sie die südlichen Ausläufer der Weißen Höhen umrundet und das Auenland hinter sich gelassen hatten, kamen sie zu den Fernen Höhen und dann zu den Türmen, wo sie von fern schon das Meer sahen; und so ritten sie schließlich nach Mithlond hinab, zu den Grauen Anfurten in der langen Förde von Lhûn.
Am Tor zu den Häfen kam ihnen Círdan, der Schiffbauer, zur Begrüßung entgegen. Sehr groß war er, alt und grau und mit einem langen Bart, doch seine Augen funkelten wie Sterne; und er sah sie an und verneigte sich und sagte: »Alles ist nun bereit.«
Dann führte Círdan sie zu den Anfurten, und dort lag ein weißes Schiff vor Anker, und auf dem Kai davor, neben einem großen grauen Pferd stehend, erwartete sie jemand, ganz in Weiß gekleidet; und als er sich umwandte und ihnen entgegenkam, sah Frodo, dass Gandalf nun offen den dritten Ring am Finger trug, Narya den Großen, und der Stein daran glühte rot wie Feuer. Da waren alle froh, die auf die Fahrt gehen wollten, denn sie wussten nun, dass auch Gandalf mitfahren würde.
Sam wurde schwer ums Herz, und ihm schien, der Abschied würde schon bitter genug, noch trauriger aber der weite, einsame Heimweg. Doch während sie auf dem Kai standen, als die Elben schon an Bord gingen und alles zur Abfahrt bereitgemacht wurde, kamen in höchster Eile Merry und Pippin herbeigeritten; und Pippin lachte unter Tränen.
»Schon einmal hast du vergebens versucht, Frodo, uns zu entwischen«, sagte er. »Jetzt wär es dir beinah gelungen, aber nur beinah! Diesmal war es nicht Sam, der dich verraten hat, sondern Gandalf selbst.«
»Ja«, sagte Gandalf, »weil es besser sein wird, zu dritt heimzureiten, als allein. Hier nun, Freunde, am Meeresufer endet unser Bund in Mittelerde. Geht in Frieden! Ich will nicht sagen, weint nicht, denn nicht alle Tränen sind von Übel.«
Frodo küsste Merry und Pippin und als letzten Sam, und dann ging er an Bord. Segel wurden gehisst, der Wind wehte, und langsam glitt das Schiff in die lange graue Förde hinaus; und das Licht in Galadriels Glas, das Frodo in der Hand hielt, schimmerte noch eine Weile und
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