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Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Titel: Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John R Tolkien
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kreidig weiße Pfad in einen Milchbach verwandelte und plätschernd zu Tal lief. Tom Bombadil kam um die Ecke des Hauses getrabt und schwenkte die Arme, als ob er den Regen damit abwehren wollte – und tatsächlich schien er, als er über die Schwelle hüpfte, ganz trocken zu sein, bis auf die Stiefel. Die zog er aus und stellte sie in die Kaminecke. Dann setzte er sich in den breitesten Sessel und rief die Hobbits zusammen.
    »Heute ist Goldbeeres Waschtag«, sagte er, »und ihr Herbstgroßreinemachen. Kein Wetter für Hobbitleute – sollen lieber ausruhen, solange es noch geht! Ein guter Tag für lange Geschichten, zum Fragen und Antworten. Also wird Tom anfangen.«
    Und dann erzählte er ihnen viel Erstaunliches, manchmal, als spräche er mehr zu sich selbst, manchmal, indem er sie unter seinen dichten Brauen hervor mit seinen leuchtenden blauen Augen anschaute. Oft ging seine Rede in Gesang über, und er stand vom Sessel auf und tanzte umher. Er erzählte ihnen Geschichten von Bienen und Blumen, von den seltsamen Kreaturen des Waldes, guten und bösen, freundlichen und gehässigen, rohen und sanftmütigen, und von Geheimnissen unterm Dornengestrüpp.
    Während sie ihm zuhörten, begannen sie zu verstehen, wie die Geschöpfe des Waldes leben konnten, ohne sich irgend um Hobbits zu kümmern, ja, wie sie selbst hier Fremde, alle andern aber einheimisch waren. Immer wieder kam Tom auf den Alten Weidenmann zu sprechen, und Frodo erfuhr nun alles, was er wissen wollte, und noch einiges mehr, denn es war keine frohe Kunde. Toms Worte legten die Herzen der Bäume bloß und ihre Gedanken, die oft fremd und dunkel waren, voller Hass auf die nicht bodenständigen Geschöpfe, die frei auf der Erde herumlaufen und beißen und nagen, brechen, hacken und sengen: Baummörder und Landräuber! Nicht ohne Grund trug der Alte Wald seinen Namen, denn alt war er, uralt, ein überlebender Rest der riesigen, nun vergessenen Wälder von einst; und darin lebten noch die Vorväter der ersten Bäume, die nicht schneller alterten als die Berge und noch der Zeiten gedachten, als sie die Herren waren. Unzählige Jahre hatten sie mit Stolz und Wurzelweisheit erfüllt – und mit Tücke. Und keiner von ihnen war gefährlicher als der große Weidenmann: Sein Herz war verdorben, doch seine Kraft war grün; und er war listig und ein Lenker der Winde, und sein Singen und Denken durchströmte den Wald zu beiden Seiten des Flusses. Sein grauer, durstiger Geist sog Kraft aus der Erde und breitete sich wie mit feinen Wurzelfasern im Boden und wie mit unsichtbaren Zweigfingern durch die Luft aus, und schließlich hatte er Macht über fast alle Bäume des Waldes von der Hecke bis zu den Höhen.
    Dann wandten sich Toms Erzählungen von den Wäldern fort und folgten dem Lauf des jungen Baches aufwärts, wie er über brausendeWasserfälle, über Kiesel und ausgewaschene Felsen herabkam, an kleinen Blumen im dichten Gras und an feuchten Spalten vorüber bis hinauf zu den Höhen, wo er entsprang. Er erzählte von den großen Hügelgräbern, den grünen Grabhügeln mit den Steinkreisen auf den Kuppen und in den Mulden dazwischen. Schafherden blökten, grüne und weiße Mauern ragten auf, Burgen standen auf den Höhen. Die Könige kleiner Reiche kämpften miteinander, und die junge Sonne schien wie Feuer auf das blutige Metall ihrer neuen und gefräßigen Schwerter. Sieg folgte auf Niederlage, Türme stürzten ein, Festungen wurden geschleift, und Flammen schlugen gen Himmel empor. Auf die Bahren toter Könige und Königinnen wurde Gold gehäuft; Erdhügel bedeckten sie, die steinernen Türen wurden verschlossen; und Gras wuchs über alles. Schafe weideten dort eine Zeit lang, aber bald waren die Hügel wieder verlassen. Von dunklen Orten in der Ferne kam ein Schatten, und die alten Knochen klapperten in ihren Gräbern. Grabwichte gingen in den Kammern um, Ringe klirrten an kalten Fingern, und goldene Ketten rasselten im Wind. Steinkreise grinsten aus dem Boden hervor wie zersplitterte Zähne im Mondschein.
    Die Hobbits hörten es mit Schaudern. Sogar im Auenland kannte man das Gerücht von den Grabwichten auf den Hügelgräberhöhen jenseits des Waldes. Doch solche Geschichten hörte kein Hobbit gern, nicht mal an einem behaglichen Kaminfeuer in sicherem Abstand von der verrufenen Gegend. Diesen vier Hobbits fiel ganz schnell wieder ein, wovon die Annehmlichkeiten des Hauses sie abgelenkt hatten: Tom Bombadils Haus stand genau zu Füßen dieser unheimlichen

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