Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Stille verklangen; und während des Verklingens sahen sie im Geiste Seen und Flüsse, die größer waren als alle, die sie kannten; und auf ihr Wasser hinabblickend, sahen sie den Himmel unter sich und dieSterne wie Juwelen in der Tiefe. Dann wünschte Goldbeere wieder jedem von ihnen eine gute Nacht und ging, während sie am Kamin sitzen blieben. Tom aber schien nun hellwach zu sein und bedrängte sie auf einmal mit Fragen.
Er schien vieles über sie und ihre Familien schon zu wissen, auch über alles Leben und Treiben im Auenland seit den frühesten Tagen, an die sich die Hobbits selbst kaum mehr erinnerten. Es überraschte sie nicht mehr, aber er machte kein Geheimnis daraus, dass er seine jüngst erlangten Kenntnisse hauptsächlich dem Bauern Maggot verdankte, einem Mann, dem er offenbar mehr Bedeutung beimaß, als sie erwartet hätten. »Er hat Erde unter seinen alten Füßen und Lehm an den Fingern; der Verstand steckt ihm in den Knochen, und er hält beide Augen offen«, sagte Tom. Ebenso wurde klar, dass Tom mit den Elben in Verbindung stand; und auf irgendeine Weise schien er über Frodos Flucht von Gildor Nachricht erhalten zu haben.
So viel wusste er schon, und so geschickt verstand er zu fragen, dass Frodo ins Erzählen kam und ihm mehr über Bilbo und seine eigenen Sorgen und Hoffnungen sagte, als er selbst Gandalf gesagt hatte. Tom wiegte bedächtig den Kopf, und in seine Augen trat ein Funkeln, als er von den Reitern hörte.
»Zeig mir deinen kostbaren Ring!«, sagte er plötzlich mitten in Frodos Bericht hinein; und Frodo, zu seinem eigenen Erstaunen, zog gleich die Kette aus der Tasche, machte den Ring los und gab ihn Tom, ohne zu zögern.
Der Ring schien größer zu werden, als er für einen Moment in Toms breiter brauner Hand lag. Auf einmal hielt Tom ihn sich ans Auge und lachte. Eine Sekunde lang bot er den Hobbits einen komischen und zugleich bedrohlichen Anblick, als sie sein strahlend blaues Auge von einem goldenen Kreis eingefasst sahen. Dann steckte er sich den Ring auf die Spitze des kleinen Fingers und hielt ihn dicht ans Kerzenlicht. Zuerst fanden die Hobbits das nicht weiter bemerkenswert, aber dann schnappten sie nach Luft: Tom machte keinerlei Anstalten zu verschwinden!
Tom lachte wieder, dann ließ er den Ring um die Fingerspitze kreiseln – und mit einem Aufblitzen war das kostbare Stück verschwunden! Frodo stieß einen Schrei aus – und Tom beugte sich zu ihm und gab ihn lächelnd zurück.
Frodo betrachtete ihn genau und ein wenig misstrauisch (wie jemand, der einem Gaukler ein Schmuckstück geliehen hat). Es war noch derselbe Ring, jedenfalls dem Aussehen und dem Gewicht nach zu urteilen; denn Frodo hatte schon immer gefunden, dass er sonderbar schwer in der Hand wog. Aber irgendetwas trieb ihn, sich zu vergewissern. Er war wohl ein bisschen beleidigt, dass Tom eine Sache so leicht zu nehmen schien, die selbst Gandalf so todernst gefährlich fand. Er wartete, bis das Gespräch wieder in Gang gekommen war, und als Tom gerade eine verrückte Geschichte über Dachse und ihre Schrullen erzählte, steckte er den Ring auf.
Merry wandte sich zu ihm hin, um etwas zu sagen, fuhr zusammen und konnte einen Aufschrei eben noch unterdrücken. Frodo war (in gewisser Hinsicht) sehr zufrieden: Also gut, es war sein Ring, denn Merry glotzte auf seinen Sessel und konnte ihn offenbar nicht sehen. Er stand auf und schlich lautlos vom Kamin fort in Richtung der Haustür.
»Heda!«, rief Tom und blickte ihm unbeirrt genau ins Auge. »He, komm zurück, Frodo! Wo willst du denn hin? So blind ist der alte Tom Bombadil noch nicht. Nimm deinen goldenen Ring ab, deine Hand gefällt mir ohne ihn besser! Komm, lass den Unsinn und setz dich neben mich! Wir haben für morgen noch einiges zu bereden und zu bedenken. Tom muss euch den richtigen Weg erklären, damit ihr euch nicht verirrt.«
Frodo lachte (und versuchte sich zu freuen), nahm den Ring ab und setzte sich wieder hin. Tom sagte ihnen nun, dass er für den kommenden Tag Sonnenschein und einen schönen Morgen erwarte, ein günstiges Vorzeichen für ihren Aufbruch. Doch täten sie gut daran, sich früh auf den Weg zu machen, denn das Wetter in dieser Gegend sei so launisch, dass auch er es nicht für lange Zeit zuverlässig voraussagen könne; manchmal wechsle es schneller, alser die Jacke wechseln könne. »Des Wetters Meister bin ich nicht«, sagte er, »und niemand ist es, der auf zwei Beinen geht.«
Auf seinen Rat hin beschlossen sie, von
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