Der Herr der Ringe
aus der Scheide gezogen worden wäre. Es gab einen Schlag, leise, aber kräftig, und die Tür erzitterte.
»Öffnet, im Namen von Mordor!«, sagte eine dünne, aber drohende Stimme. Bei einem zweiten Schlag gab die Tür nach und stürzte ein, das Holz zersplitterte und das Schloss zerbrach. Die schwarzen Gestalten glitten rasch hinein.
In diesem Augenblick erklang zwischen den Bäumen nahebei ein Horn. Es zerriss die Nacht wie Feuer auf einem Berggipfel.
ERWACHT! GEFAHR! FEUER! FEINDE! ERWACHT!
Dick Bolger war nicht müßig gewesen. Kaum hatte er die dunklen Schatten vom Garten herankriechen sehen, da wusste er, dass er rennen musste, wenn ihm sein Leben lieb war. Und er rannte zur Hintertür hinaus, durch den Garten und über die Wiesen. Als er das nächste Haus erreicht hatte, mehr als eineMeile entfernt, brach er auf der Schwelle zusammen. »Nein, nein, nein!«, schrie er. »Nein, nicht ich! Ich habe ihn nicht!« Es dauerte einige Zeit, bis irgendjemand begriff, was er eigentlich stammelte. Schließlich kamen sie auf den Gedanken, es könnten Feinde in Bockland sein, irgendein seltsamer Überfall aus dem Alten Wald. Und dann verloren sie keine Zeit mehr.
GEFAHR! FEUER! FEINDE!
Die Brandybocks bliesen das Hornsignal von Bockland, das seit hundert Jahren nicht mehr vernommen worden war, nicht seit die weißen Wölfe in dem Grausamen Winter gekommen waren, als der Brandywein zugefroren war.
ERWACHT! ERWACHT!
Weit in der Ferne hörte man antwortende Hörner. Der Alarm wurde weitergegeben.
Die schwarzen Gestalten flohen aus dem Haus. Eine von ihnen ließ, als sie davonstürzte, einen Hobbitmantel auf der Schwelle fallen. Auf dem Fußweg hörte man Hufgetrappel, das sich zu einem Galopp steigerte und in der Dunkelheit dahinhämmerte. Rings um Krickloch hallte alles wider von Hörnerblasen und schreienden Stimmen und rennenden Füßen. Aber die Schwarzen Reiter ritten wie der Sturmwind zum Nordtor. Das kleine Volk sollte nur blasen! Sauron würde später schon mit ihnen fertig werden. Sie hatten derweil eine andere Aufgabe: jetzt wussten sie, dass das Haus leer war und der Ring fort. Sie überritten die Wachen am Tor und verschwanden aus dem Auenland.
Früh in der Nacht erwachte Frodo plötzlich aus tiefem Schlaf, als habe ein Laut oder die Anwesenheit von jemandem ihn aufgeschreckt. Er sah, dass Streicher hellwach auf seinem Sessel saß: Seine Augen glänzten im Schein des Feuers, das er in Gang gehalten hatte und das hell brannte; aber er gab kein Zeichen und bewegte sich nicht.
Frodo schlief bald wieder ein; doch abermals wurden seine Träume gestört durch das Geräusch von Wind und galoppierenden Hufen. Der Wind schien um das Haus herumzuwirbeln und es zu schütteln, und in der Ferne hörte er ein Horn wild blasen. Er öffnete die Augen und hörte einen Hahn im Hof lauthals krähen. Streicher hatte die Vorhänge aufgezogen und krachend die Läden aufgestoßen. Das erste graue Licht des Tages war im Raum, und kalte Luft drang durch das offene Fenster herein.
Sobald Streicher sie alle geweckt hatte, ging er voran in ihre Schlafzimmer. Als sie sie sahen, waren sie froh, dass sie seinem Rat gefolgt waren: DieFenster waren aufgebrochen und schlugen hin und her, und die Vorhänge flatterten; die Betten waren durchwühlt und die Schlummerrollen aufgeschlitzt und auf den Boden geworfen; die braune Decke war in Fetzen gerissen.
Streicher ging gleich, um den Wirt zu holen. Der arme Herr Butterblume sah verschlafen und verängstigt aus. Er hatte die ganze Nacht kaum ein Auge zugetan (sagte er), aber gehört hatte er nichts.
»Nie in meinem Leben ist so etwas passiert!«, rief er und hob voll Entsetzen die Hände. »Dass Gäste nicht in ihren Betten schlafen können und gute Schlummerrollen ruiniert werden und was nicht alles! Was kommt denn nun noch?«
»Dunkle Zeiten«, sagte Streicher. »Aber im Augenblick werdet Ihr vielleicht in Ruhe gelassen werden, sobald Ihr uns los seid. Wir wollen sofort aufbrechen. Macht euch keine Mühe mit dem Frühstück: Ein Schluck zu trinken und ein Bissen im Stehen wird uns reichen müssen. In ein paar Minuten haben wir gepackt.«
Herr Butterblume eilte davon, um dafür zu sorgen, dass ihre Ponys gesattelt wurden, und um ihnen einen »Bissen« zu holen. Aber sehr bald kam er bestürzt zurück. Die Ponys waren verschwunden! Die Stalltüren waren in der Nacht aufgebrochen worden, und sie waren fort: nicht nur Merrys Ponys, sondern alle anderen Pferde und Tiere auch.
Frodo war
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