Der Herr der Ringe
Denethor großes Wissen von Dingen, die sich in seinem Reich ereigneten, und auch weit jenseits seiner Grenzen; doch erkaufte er sich dieses Wissen teuer, denn durch sein Ringen mit Saurons Willen alterte er vor seiner Zeit. Daher nahm bei Denethor der Stolz zugleich mit der Verzweiflung zu, bis er alle Taten dieser Zeit nur als einen Zweikampf zwischen dem Herrn des Weißen Turms und dem Herrn von Barad-dûr sah und allen anderen misstraute, die Sauron Widerstand leisteten, sofern sie nicht ihm allein dienten.
So näherte sich die Zeit des Ringkriegs, und Denethors Söhne kamen ins Mannesalter. Boromir, um fünf Jahre älter, geliebt von seinem Vater, war ihm äußerlich und in seinem Stolz ähnlich, aber sonst wenig. Er war eher ein Mann nach der Art von König Earnur von einst, nahm keine Frau und hatte hauptsächlich Freude an Waffen; er war furchtlos und stark, machte sich aber wenig aus der Überlieferung, abgesehen von den Schilderungen alter Schlachten. Faramir, der jüngere, sah aus wie er, hatte aber eine andere Veranlagung. Er las in den Herzen der Menschen so scharfsichtig wie sein Vater, aber was er las, erregte eher sein Mitleid denn seinen Zorn. Er hatte ein freundliches Wesen und war ein Liebhaber der Überlieferung und der Musik, und daher wurde in jenen Tagen sein Mut von vielen für geringer erachtet als der seines Bruders. Doch dem war nicht so, nur dass er nicht um des Ruhmes willen unnötige Gefahren auf sich nahm. Er hieß Gandalf willkommen, wann immer er in die Stadt kam, und er lernte, so viel er konnte, von seiner Weisheit; und damit wie mit vielen anderen Dingen erregte er das Missfallen seines Vaters.
Indes liebten sich die beiden Brüder sehr, schon seit ihrer Kindheit, als Boromir der Helfer und Beschützer von Faramir war. Keine Eifersucht und kein Wetteifern um die Gunst des Vaters oder das Lob der Menschen hatte es seitdem zwischen ihnen gegeben. Es schien Faramir unmöglich, dass irgendjemand in Gondor Boromir, Denethors Erben, den Heermeister des Weißen Turms, übertreffen könne; und derselben Meinung war Boromir. Bei der Prüfung erwies es sich allerdings anders. Doch von allem, was diesen dreien im Ringkrieg widerfuhr, ist anderswo viel gesagt worden. Und nach dem Krieg nahmen die Tage der Herrschenden Truchsesse ein Ende; denn der Erbe von Isildur und Anárion kehrte zurück, das Königtum wurde wiederhergestellt, und das Banner des Weißen Baums flatterte von neuem an Ecthelions Turm.«
Hier folgt ein Teil der
Erzählung von Aragorn und Arwen
»Arador war der Großvater des Königs. Sein Sohn Arathorn hielt um Gilraen die Schöne an, die Tochter von Dírhael, der selbst ein Nachkomme von Aranarth war. Dírhael war gegen diese Heirat; denn Gilraen war jung und hatte noch nicht das Alter erreicht, in dem die Frauen der Dúnedain gewöhnlich heirateten.
›Überdies‹, sagte er, ›ist Arathorn ein ernster Mann und volljährig, und er wird früher Stammesführer werden, als die Menschen erwarten; dennoch sagt mein Herz voraus, dass sein Leben kurz sein wird.‹
Aber Ivorwen, seine Frau, die auch voraussehend war, antwortete: ›Umso mehr ist Eile geboten! Die Tage verdunkeln sich vor dem Sturm, und große Dinge werden kommen. Wenn die beiden jetzt heiraten, mag Hoffnung für unser Volk geboren werden, aber wenn sie es aufschieben, wird die Hoffnung nicht kommen, solange dieses Zeitalter währt.‹
Und es geschah, als Arathorn und Gilraen erst ein Jahr verheiratet waren, dass Arador in den Kaltfelsen nördlich von Bruchtal von Bergtrollen überwältigt und erschlagen wurde; und Arathorn wurde Stammesführer der Dúnedain. Im nächsten Jahr gebar Gilraen ihm einen Sohn, und er wurde Aragorn genannt. Aber Aragorn war erst zwei Jahre alt, als Arathorn mit Elronds Söhnen gegen die Orks ausritt und durch einen Orkpfeil getötet wurde, der ihm das Auge durchbohrte; und so erwies es sich, dass er für einen seines Geschlechts wirklich kurz gelebt hatte, denn er war erst sechzig, als er fiel.
Da wurde Aragorn, der jetzt Isildurs Erbe war, mit seiner Mutter in Elronds Haus gebracht, um dort zu leben; und Elrond vertrat Vaterstelle an ihm und gewann ihn lieb wie einen eigenen Sohn. Doch wurde er Estel genannt, das heißt ›Hoffnung‹, und sein wirklicher Name und Stammbaum wurden auf Elronds Geheiß geheim gehalten; denn die Weisen wussten damals, dass der Feind danach trachtete, Isildurs Erben zu entdecken, wenn es auf Erden einen gab.
Aber als Estel erst zwanzig Jahre alt
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