Der Herr der Ringe
ziemt sich nicht, dass Sterbliche in das Elbenvolk einheiraten.‹
›Dennoch haben auch wir einen Anteil an diesem Geschlecht‹, sagte Aragorn, ›wenn die Geschichte meiner Vorväter wahr ist, die ich erfahren habe.‹
›Sie ist wahr‹, sagte Gilraen, ›aber das ist lange her und war in einem anderen Zeitalter dieser Welt, ehe unser Geschlecht gemindert wurde. Deshalb bin ich ängstlich; denn ohne das Wohlwollen von Herrn Elrond werden Isildurs Erben bald ihr Ende finden. Und ich glaube nicht, dass du in dieser Frage auf Elronds Wohlwollen rechnen kannst.‹
›Bitter werden dann meine Tage sein, und einsam werde ich durch die Wildnis wandern‹, sagte Aragorn.
›Das wird wahrlich dein Schicksal sein‹, sagte Gilraen; aber obwohl auch sie in einem gewissen Maß die Voraussicht ihres Volkes besaß, sagte sie nichts mehr zu ihm von ihrer Vorahnung, und sie sprach auch mit niemandem über das, was ihr Sohn ihr gesagt hatte.
Aber Elrond sah viele Dinge und las in vielen Herzen. Daher rief er eines Tages, ehe das Jahr sich neigte, Aragorn in sein Gemach und sagte: ›Aragorn, Arathorns Sohn, Herr der Dúnedain, höre mich an! Ein großes Schicksal erwartet dich. Entweder wirst du höher aufsteigen als alle deine Vorväter seit Elendils Tagen, oder du wirst mit allen, die von deinem Geschlecht noch übrig sind, in die Dunkelheit stürzen. Viele Jahre der Prüfung liegen vor dir. Du sollst weder eine Frau nehmen noch dich mit einer verloben, ehe deine Zeit gekommen und du dich dessen würdig erweist.‹
Da war Aragorn verwirrt und sagte: ›Kann es sein, dass meine Mutter davon gesprochen hat?‹
›Nein, wahrlich nicht‹, sagte Elrond. ›Deine eigenen Augen haben dich verraten. Doch spreche ich nicht von meiner Tochter allein. Du sollst dich vorläufig mit keines Mannes Kind verloben. Doch was Arwen die Schöne, Herrin von Imladris und Lórien, Abendstern ihres Volkes, betrifft, so ist sie von edlerer Herkunft als du, und sie hat bereits so lange in der Welt gelebt, dass du nur wie ein einjähriger Schössling neben einer jungen Birke von vielen Sommern bist. Sie steht zu hoch über dir. Und so, glaube ich, mag es auch ihr erscheinen. Doch selbst wenn dem nicht so wäre und ihr Herz sich dir zuwendete, würde ich mich dennoch grämen wegen des Schicksals, das uns auferlegt ist.‹
›Was für ein Schicksal ist das?‹, fragte Aragorn.
›Dass sie, solange ich hier weile, mit der Jugend der Eldar leben soll‹, antwortete Elrond. ›Und wenn ich scheide, soll sie mit mir gehen, wenn das ihre Wahl ist.‹
›Ich sehe‹, sagte Aragorn, ›dass ich meine Augen auf einen Schatz gerichtet habe, der nicht weniger teuer ist als Thingols Schatz, den Beren einst begehrte. Das ist mein Schicksal.‹ Dann plötzlich kam ihm die Voraussicht seines Geschlechts, und er sagte: ›Doch seht! Herr Elrond, die Jahre Eures Verweilens hier nähern sich ihrem Ende, und Eure Kinder müssen bald vor die Wahl gestellt werden, sich entweder von Euch oder von Mittelerde zu trennen.‹
›Fürwahr‹, sagte Elrond. ›Bald nach unserer Ansicht, obgleich noch viele Jahre der Menschen vergehen müssen. Doch für meine geliebte Arwen wird es keine Wahl geben, es sei denn, dass du, Aragorn, Arathorns Sohn, zwischen uns trittst, sodass es für einen von uns, für dich oder für mich, eine bittere Trennung bis über das Ende der Welt hinaus gibt. Du weißt noch nicht, was du von mir begehrst.‹ Er seufzte, und nach einer Weile sah er den jungen Mann ernst an und sagte: ›Die Jahre werden bringen, was sie wollen. Wir werden nicht mehr davon sprechen, ehe viele vergangen sind. Die Tage werden dunkel, und viel Unheil wird kommen.‹
Dann nahm Aragorn liebevoll von Elrond Abschied; und am nächsten Tag sagte er seiner Mutter Lebewohl und dem Haus von Elrond und Arwen, und er ging hinaus in die Wildnis. Fast dreißig Jahre lang mühte er sich in der Sache gegen Sauron; und er wurde ein Freund Gandalfs des Weisen, von dem er viel Weisheit erlangte. Mit ihm unternahm er viele gefährliche Fahrten, aber im Laufe der Jahre ging er öfter allein. Seine Wege waren hart und lang, und mit der Zeit bekam er ein etwas grimmiges Äußeres, es sei denn, er lächelte zufällig; und doch erschien er den Menschen der Ehrerbietung würdig wie ein König in der Verbannung, wenn er seine wahre Gestalt nicht verbarg. Denn er ging in vielen Verkleidungen und errang Ruhm unter vielen Namen. Er ritt im Heer der Rohirrim und focht für den Herrn von Gondor zu
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