Der Herr der Tränen
Menge Ärger bereiten.«
Falls die Frau Angst hatte, verbarg sie es gut.
»Es gibt auch Fadenwirker in der Stadtwache, weißt du«, zischte sie. »Du kannst nicht tun, was dir gefällt, nur weil du über Magie verfügst.«
»Ich bezweifle, dass sie hier sein werden, bevor ich diese moschusgeschwängerte Herberge niedergerissen habe.« Yalenna ließ das Handgelenk der Frau los. »Komm, es geht nur um einen einzigen Mann. Er ist auch kein guter Mann – vertrau mir, wenn ich sage, dass dein Haus ohne ihn besser dran ist.«
Die Bordellbesitzerin versuchte, sich zu sammeln und Boden gutzumachen. »Zu unserem Markenzeichen gehört, dass wir unseren Gästen absolute Diskretion bieten.«
»Es wird nicht mehr viel Diskretion zu haben sein, wenn die Hunde der Stadt frei durch die Risse wandern, die ich in den Mauern deines Hauses hinterlassen werde.«
»Wird meine Hilfe benötigt, Gnädige Frau?«
Der Kraftprotz war an die Theke getreten.
»Ähm … nein, Terrik.« Die Puffmutter war jetzt wirklich eingeschüchtert. Es gefiel Yalenna nicht, mit Gewalt zu drohen, aber ihre Aufgabe duldete keinen Aufschub. »Bitte, lass uns allein.«
Terrik zog sich zurück und ging wieder auf seinen Posten.
»Nun?«, fragte Yalenna.
»Also gut. Ich denke, ich weiß, welchen Mann du meinst … obwohl deine Beschreibung auf viele hier passen könnte.«
»Er trägt eine Menge Ringe.«
Die Puffmutter seufzte. »Erster Stock. Raum sechzehn. Bist du seine Ehefrau?«
Yalenna stieß ein undamenhaftes Schnauben aus und ging auf die Treppe zu. Oben fand sie einen gut gepflegten Flur mit dickem Teppich und lüsternen Wandbehängen. Wollen die Männer sich fühlen wie in einer Burg?, überlegte sie geringschätzig, während sie rasch zu der Tür mit der Nummer sechzehn weiterging.
Sie riss sie auf.
Ein nacktes Mädchen, in Laken verheddert, richtete sich mit einem Aufkeuchen auf, und ein offener Fensterflügel schwang in der Brise hin und her. Von der Straße unten erscholl Lärm.
»Wer bist …«, fragte das Mädchen. Dann blieb die Zeit stehen.
Despirrow war aus dem Schlaf aufgeschreckt. Da er mit den Fäden der Zeit in Verbindung stand, hatte er eine Vibration gespürt, die er nur allzu gut kannte – eine Warnung vor üblen Dingen, die kommen würden.
Er richtete sich auf, und das Mädchen neben ihm stöhnte. Er hätte selbst stöhnen mögen, denn er hatte am vergangenen Abend zu viel Wein getrunken. Als sein Blick auf den sich hebenden Busen der schlafenden Hure fiel, verspürte er einen sofortigen Drang, sich noch einmal über sie herzumachen – aber das Gefühl, das ihn hatte erwachen lassen, war stärker. Er stand auf und öffnete das Fenster.
Von der Straße unten erklangen Stimmen.
»… nach einem Freund, vielleicht hast du ihn gesehen? Er kleidet sich sehr gut, wie ein Höfling …«
Despirrow drückte sich flach an die Wand. Diese Stimme kannte er nur allzu gut. War Yalenna allein gekommen oder in Gesellschaft?
Vorsichtig spähte er wieder durch das Fenster. Sie schaffte gerade den Türsteher aus dem Weg, und bevor er die Konzentration aufbringen konnte, ihren Schädel nach innen zu drücken, trat sie ins Haus, wo er sie nicht länger sehen konnte.
Er lief zu dem Haufen seiner Sachen hinüber und zog Kleider und Stiefel an. Dann ging er zurück ans Fenster, während er hastig Ringe auf seine Finger streifte, und ließ den Blick über die Straße wandern.
Da.
Es stimmte also – Karrak hatte sich auf die Seite des Feindes geschlagen. Er sah seinen alten Verbündeten nur für einen Moment, als er in eine Taverne auf der anderen Straßenseite ging. Hass durchströmte ihn, aber da war auch Furcht, die seinen Körper belebte und seinen benommenen Kopf frei machte.
Yalenna war irgendwo unten und Karrak in der Nähe, aber für einen Moment war auf der Straße die Luft rein. Despirrow kletterte durchs Fenster, ließ sich mit den Füßen voraus fallen und weichte unter sich die Pflastersteine auf. Als er landete, sanken seine Füße in die Straße ein, als wäre sie Schlamm, und wer ihn sah, blinzelte überrascht. Mit brennenden Sohlen wirbelte er herum und sah den Türsteher, der steif dastand, den Mund fest geschlossen.
»Sie hat dich geschafft, wie?«
Er bemerkte die Armbrust auf dem Rücken des Mannes. Dafür hatte er vielleicht Verwendung, denn wenn er die Zeit anhielt, konnte weder er noch irgendjemand sonst seine Magie benutzen. Eine echte Waffe war vielleicht keine schlechte Idee.
»Entschuldigung«, sagte er und
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