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Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Bowring
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die Natur dieses Segens nie erforscht. Jetzt blinzelte sie ihn an und suchte nach ihrem Einfluss. Er war nicht so offensichtlich wie bei den frisch Gesegneten, da der Segen einige Zeit gehabt hatte, sich in seine Struktur einzufügen, doch wenn sie wollte, fand sie immer, wonach sie suchte.
    Dort.
    Sie holte unhörbar Luft, als sie den ziemlich ungewöhnlichen Segen ausmachte.
    Mögest du Glück in der Liebe haben.
    »Alles in Ordnung, Herrin?«, fragte er, einen sanften Ausdruck in den braunen Augen.
    »Oh … ja. Geh bitte voran, Jandryn.«
    Während sie ihren Weg fortsetzten, dachte sie über die Natur eines solch mächtigen Segens nach. Er bedeutete nicht – das wusste sie –, dass er Menschen dazu bringen konnte, sich gegen ihren Willen in ihn zu verlieben. Es war vielleicht subtiler. Glück in der Liebe zu haben … vielleicht bedeutete es einfach, dass er bei dem Gegenstand seiner Zuneigung Gefallen fand? Dass er von seiner besten Seite gesehen wurde, dass seine feineren Eigenschaften bemerkt wurden.
    Hatte es irgendeinen Einfluss auf sie gehabt? fragte sie sich. Gewiss hielt sie ihn für einen gut aussehenden Burschen, aber das war lediglich flüchtige Bewunderung. Oder etwa nicht? Sie hatte Aorn so lange selbstlos gedient, dass in letzter Zeit das Gefühl an ihr genagt hatte, sie sollte auch etwas für sich selbst nehmen, etwas vom Leben.
    Sie prallte gegen ihn und stellte fest, dass die Zeit stehen geblieben war.
    Sobald Despirrow sich ein gutes Stück von Saphura entfernt und wirklich begonnen hatte, die Kühle des Flusses zu spüren, kam er zu dem Schluss, dass er in Sicherheit war. Er watete ans Ufer und ging an Land. Seine durchweichten Kleider hielten ihn in einer kalten Umarmung. Sobald er den schützenden Wald erreicht hatte, vertrieb er mit einem Wink alle Feuchtigkeit aus seinen Gewändern.
    Wie hatten sie ihn gefunden?
    Er hatte nichts getan, um Aufmerksamkeit zu erregen. Der Einzige, der gewusst hatte, wo er war, der es überhaupt hatte wissen können, war Salarkis.
    Er dachte gründlich über ihr letztes Gespräch nach. Salarkis hatte den Anschein erweckt, helfen zu wollen, aber Despirrow war nicht töricht genug, das unbedingt für bare Münze zu nehmen. Bedauerlicherweise wusste er, dass es so oder so das Beste war, nach Tallaho zu gehen, zu Forger. Seine Feinde würden davor zurückschrecken, ihn dorthin zu verfolgen, sich ihm und dem Herrn des Schmerzes gleichzeitig zu stellen.
    Woran in Tallaho erinnerte er sich am besten? Bestimmt gab es die Burg noch – er wusste, dass es sie gab, denn er hatte gehört, dass Forger sie wieder in Besitz genommen hatte. Also konzentrierte er sich und stellte sich den Platz vor der Burg vor, und schon bald lösten sich seine Fäden voneinander.
    Er überraschte zwei Soldaten, als er wie aus dem Nichts auf den grauen Pflastersteinen des Platzes vor ihnen erschien.
    »Ich bin Despirrow«, sagte er zu ihnen. »Bringt mich zu meinem alten Freund Forger.«
    Sie erbleichten bei seinem Namen – wie gut es sich anfühlte, ihn nicht zu verbergen! –, nickten und deuteten auf den Eingang der Burg. Unter dem Torbogen berieten sie sich mit einem Vorgesetzten, der Despirrow mit einer Mischung aus Furcht und Vorsicht beäugte.
    »Wenn ich nicht der bin, der ich zu sein behaupte«, erklärte Despirrow kühl, »dann wird der mächtige Forger mich zweifellos töten. Was kümmert es euch? Bringt mich zu ihm.«
    Während sie durch die Burg gingen, schenkten ihm die Türen, die er passierte, angenehme Erinnerungen. So manche Nacht hatte er hier verbracht, mit Wein und Mädchen – vielleicht war es doch nicht so schlecht, hierher zurückzukommen.
    Sie erreichten den Thronsaal und hörten ein Wimmern aus dem Inneren. Ohne darauf zu warten, angemeldet zu werden, stieß Despirrow die Tür auf und trat ein.
    Am anderen Ende des Saals saß Forger auf dem Thron und beobachtete mit Interesse, wie ein stämmiger Folterknecht Streifen von einem Mann abschnitt, der an die Wand gekettet war. Der Folterknecht hatte trübe Augen, als würden seine Bemühungen ihn erschöpfen, und seine Bewegungen schienen ein stockendes Widerstreben zu verraten. Neben Forger stand ein grauhaariger alter Mann in einer braunen Robe, der eine Schriftrolle vorlas.
    »Despirrow!«, rief Forger und klatschte entzückt in die Hände, während er aufstand und von dem Podest des Thrones herunterkam. »Ich habe schon gedacht, ich hätte dich mit irgendetwas gekränkt.«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Despirrow

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