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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Schießstand, Luke. Wenn Red Anzio kommt, dann vera n stalten die Krauts ‘n Preisballern auf uns.«
    »Er hat Recht«, mischte sich Nico in den Dialog ein.
    »Mischen Sie sich da nicht ein«, blaffte ihn der Sergeant an. Mit einem Mal stutzte er. »Sie sprechen Englisch?«
    »Meine Mutter stammt aus Greenwich.«
    »Greenwich, Ohio?«, fragte der Fahrer.
    »Niemals, Tom«, widersprach der Sergeant. »Hör dir doch seine Aussprache an.« Sich wieder Nico zuwendend, tippte er: »Ich wette, Ihre Mutter ist in New Jersey geboren, Sir.«
    »Nein, in London.«
    »Aber das ist doch in Ohio«, beharrte der Mann im Truck.
    »Quatsch!«, widersprach der Sergeant. »Das liegt am E riesee, drüben auf der kanadischen Seite. Ich komme aus der Gegend.«
    »Eigentlich rede ich von dem London an der Themse«, präzisierte Nico.
    »Ohio?«, fragte Tom.
    »England.«
    Die beiden Soldaten sahen sich verständnislos an.
    »Wenn Sie möchten, schaue ich mir Ihren Truck an«, schlug Nico vor.
    »Verstehen Sie denn was davon?«, fragte der Sergeant.
    »Manchmal schon. Darf ich mal?« Er deutete zum Fü h rerhaus hinaus.
    »Wegen mir. Ich gebe Ihnen sechzig Sekunden.«
    Der Transporter sprang bereits nach der Hälfte der Zeit an.
    Tom fand das ziemlich erstaunlich. »Wie hast du das g e macht, Kamerad?«
    »Mein Name ist Nico. Maschinen und Apparate sind me i ne Passion.«
    Tom fiel der Zahnstocher aus dem offen stehenden Mund.
    »Das ist ein römisch-katholisches Wort«, erläuterte der Sergeant für seinen staunenden Kameraden. »Hat irgen d was mit Leidenschaft zu tun.«
    »Könnte ich bei Ihnen arbeiten?«, fragte Nico nun fre i heraus.
    »Sie wissen doch, dass alle Zivilisten in die Evakui e rungszentren verbracht werden sollen.«
    »Und Sie wissen sicherlich, dass manche Einwohner der Stadt sich nicht von ihrer Scholle vertreiben lassen werden. Die Höhlen, in denen sich Ihr Oberkommando in den ersten Tagen nach der Landung versteckt hat, davon gibt es noch viele hier. Wäre doch besser, ich könnte mich bei Ihnen nützlich machen, als wenn ich da irgendwo unterkrieche, finden Sie nicht?«
    Der Sergeant brauchte einen Moment, um die Verflec h tungen des Gesagten zu erfassen. Schließlich grinste er. »Na meinetwegen. Melden Sie sich beim Kommando in der Villa Borghese und sagen Sie denen, Sergeant Luke D’Annibale hat Sie geschickt. Ich käme später vorbei, um Ihre Bewerbung zu unterstützen.«
    »Danke«, sagte Nico freudig und eilte davon.
     
    Die deutschen Bomber kamen vor allem nachts. Obwohl sich die Flakgeschütze der Alliierten von Tag zu Tag besser auf sie einschossen und immer mehr von ihnen herunterho l ten, flogen sie bis zum Fall der Gustav-Linie ständig neue Einsätze. Mitunter glaubte Nico, der Himmel würde in Brand stehen.
    Dass er bei den alliierten Truppen die Stelle als Mechan i ker bekommen hatte, war nicht zuletzt der Fürsprache von Signora Tortora zu verdanken. Die als Inbegriff der Schlampigkeit beleumundete Witwe aus der Via Veneto war von nicht wenigen in Nettuno als deutsche Kollabor a teurin verdächtig worden. Als daher nach der Landung der Alliierten der Jeep eines italo-amerikanischen Leutnants namens De Rubeis vor ihrem Haus hielt, glaubten alle, sie würde gleich in Handschellen abgeführt werden. Umso größer war die Verwunderung, als Signora Tortora von dem Offizier mit Dankesworten überschüttet wurde, weil sie den Alliierten so wertvolle Dienste geleistet habe. So entpuppte sich die Tortora als Geheimagentin des Secret Service, was nicht nur in Nico dei Rossis Kopf einige schief hängende Bilder zurechtrückte.
    So manches Mal fragte Nico sich allerdings, ob er seine Entscheidung, in der Stadt zu bleiben, nicht mit dem Leben bezahlen würde.
    Private Paul Brown – ein GI, mit dem sich Nico ein w e nig angefreundet hatte – unkte einen Monat nach dem A n laufen der Evakuierungsaktion, dass in vier Wochen kein einziges Haus mehr in der Stadt stehen werde. Vorher hätte sich Nico die Inszenierung des Fegefeuers nie so grausam vorstellen können, aber das purgatorio in Anzio und Nett u no brannte noch neun ganze Wochen lang.
    Vom 22. bis zum 24. Mai kulminierte der Wahnsinn des Krieges in einem ununterbrochenen Artilleriefeuer. Nico sah verwundete, betrunkene, durchgedrehte und immer wieder tote Soldaten. Am Abend des 25. – es war ein Do n nerstag – stand er auf der nördlichen der beiden dem Meer zugewandten Bastionen des Forte Sangallo und blickte auf die bewegte See hinaus. Die Sonne

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