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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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nachdem der ihm ein Messer in den Leib gerammt hatte. Sie wissen ja, wie abergläubisch Ihr Mann war. Der Fluch muss ihn dermaßen verängstigt haben, dass er einfach tot umgefallen ist.«
    »Oder der Bann des Uhrmachermeisters existierte wir k lich.«
    Nico musste an den verschwundenen Zeiger denken und schluckte. Unbehaglich sah er auf den Toten hinab.
    »Ich glaube, Signor dei Rossi, Sie haben heute auch von mir einen Fluch genommen.« Sie schloss sich Nicos Bl i cken an.
    »Sie haben von ihm nicht viel Zuneigung erfahren, habe ich Recht?«
    »Nicht mehr, seitdem ich die Fehlgeburt hatte. Aber Sie werden lachen – ich habe ihn trotzdem geliebt.«
    Chaotisch wäre wohl der passende Ausdruck, um Nicos Seelenzustand zu beschreiben, doch Genovefas Äußerung ließ plötzlich Ruhe einkehren. Vor seinem inneren Auge erschien wieder klar das Bild, das ihn überhaupt hierher geführt hatte. »Der erste Schritt zu einer guten Entsche i dung ist die Erkenntnis, dass es überhaupt mehr als eine Deutung gibt«, murmelte er.
    »Was sagten Sie, Signor dei …?«
    Nico drehte sich ganz zu Manzinis Witwe um und ergriff ihre Hände. »Donna Genovefa, ich muss zu Laura. Bitte sagen Sie mir, wo ich sie finden kann.«
    »Sie ist fort …«, antwortete die Gefragte seltsam tonlos. Ihre Augen schienen jenseits der Mauern nach der Stie f tochter zu suchen.
    »Hat sie nicht wenigstens angedeutet, wohin?«
    Genovefas Aufmerksamkeit kehrte zum Herrn der Unruhe zurück. »Laura sagte, wenn du sie wirklich liebst, mein Junge, wirst du sie finden.«
    »Das ist alles?«
    »Nein, sie fügte noch etwas hinzu, aus dem ich nicht schlau geworden bin …« Wieder schien ihre Konzentration abzuschweifen.
    »Donna Genovefa! Wenn ich Laura finden soll, muss ich alles wissen.«
    »Sie sagte, wenn du sie wirklich liebst, dann wird das Unmögliche geschehen …« Die irgendwie verstört wirke n de Frau ließ Nico lange warten, bis sie ihre Hände unve r mittelt aus seinem Griff befreite. Wie eine treu sorgende Mutter wischte sie ihm mit den Fingern über die linke Schulter, als wolle sie Krümel aus dem schwarzen Wol l stoff kehren. »Hat dich da ein Engel berührt?«
    Er schielte auf die Stelle hinab und entdeckte schemenhaft einen weißen Handabdruck. Unwillkürlich musste er l ä cheln. »Wenn die Himmelsboten neuerdings Brot backen.«
    Ihre Stirn krauste sich.
    »Der Abdruck muss von Orlando Castaldi stammen, dem Bäcker. Er hatte mir seine Hand auf die Schulter gelegt«, erklärte Nico.
    Sie nickte verstehend. »Manchmal begegnen uns die E n gel in merkwürdigen Verkleidungen. Wenn du dich jetzt auf die Suche begibst, dann halte Ausschau nach den kle i nen Wundern. Und mich –« Sie drehte ihren Kopf wieder dem Toten zu – »lass nun bitte in Frieden meinen Mann begraben.«
     
    Der Leblosen Liebling hatte eine ungefähre Vorstellung, wie sich ein frisch gepflügtes Feld fühlen musste. Ihm ging es ganz ähnlich, als er den Palazzo Manzini verließ und zu den schwelenden Trümmern des Panzers zurückkehrte. »Zur bestimmten Zeit wird ihr Fuß wanken«, hieß es in der Thora, und auch Lorenzo Di Marco hatte das gesagt. Er konnte unmöglich geahnt haben, wie buchstäblich sich se i ne Vorhersage erfüllen sollte. Der Mörder von Emanuele dei Rossi und wohl noch vielen anderen lebte nicht mehr.
    Irgendwie hat er sich selbst gerichtet, dachte Nico. Er empfand keinen Triumph. Überhaupt verwunderte ihn die befremdliche Stille, die in seinem Innern herrschte, obwohl er Laura so sehr vermisste. Sie war einfach verschwunden. Mit seinem Tod hatte ihr Vater alles zum Erlöschen g e bracht. Den Durst nach Rache. Den Hass. Die Wut. Die Hoffnung …? War er betäubt? Vielleicht lag es an seiner Umgebung. Kein einziger Schuss war in Nettunia zu hören. Es bedeutete nicht den Frieden. Nur die Ruhe vor dem Sturm.
    Aber davon wusste er noch nichts, als er vor dem halb von Trümmern begrabenen Häuflein verbogenen und z u sammengeschmolzenen Metalls stand, das einmal Albino gewesen war. Noch ein Freund, von dem er Abschied ne h men musste.
      
      
      
21. Kapitel
Der Späher vom Forte Sangallo
     
    Nettunia und Genzano di Roma, 1944
     
    Am 23. Januar 1944 schlugen die Deutschen mit brutaler Gewalt zurück. Sie umzingelten den Brückenkopf der All i ierten und konnten ihn beinahe spalten. Vier Stunden lang verwandelten die Bomber der Luftwaffe den Hafen von Anzio und die nähere Umgebung in ein Flammenmeer. Und Nico dei Rossi war mittendrin.
    Albino hatte er

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