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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Johan und Lea Unterschlupf im Souterrain eines heruntergekommenen Wohnhauses in der Via Dandolo gefunden; sie konnten also weiterhin in Trastevere wohnen bleiben. Das Gebäude gehörte dem Heiligen Stuhl, und auch der Mittvierziger im Erdgeschoss, ein gewisser Ugo Buitoni, der im Kurienamt für außerterritoriale Liegenschaften des Vatikans arbeitete, war ein Bürger ebenjenes Staates. So wie er sich für edle Tröpfchen begeistern konnte, erregte er sich über die Demütigung der Juden. Nicos Zieheltern freundeten sich schnell mit dem Beamten und seiner Ehefrau an.
    Viele italienische Juden hofften noch, es werde so schlimm nicht kommen, und blieben vorerst in ihren Quartieren. Auch Meister Davide und seine Frau gehörten zu ihnen. Nico blieb zwar amtlich in seiner Wohnung an der Piazza Santa Maria in Trastevere gemeldet, aber auch er tauchte einige Tage nach dem Einmarsch der Deutschen unter – wenn auch aus anderem Grund.

    Wie konnte die deutsche Wehrmacht Italien derart schnell über-rennen? »Nachschub heißt das Zauberwort, das schon über Sieg oder Niederlage mancher Armee entschieden hat«, murmelte
    Nico, während er einmal mehr am Küchentisch über den Do-
    kumenten brütete, die er im Palazzo Manzini erbeutet hatte. Die verschiedenen Firmen und Geschäfte seines Gegenspielers waren ihm schon bei früherer Gelegenheit als durchaus »kriegsnütz-292
    lich« aufgefallen. Aber damals hätte er nicht einmal zu denken gewagt, dass Manzini die deutsche Invasion durch das Anlegen geheimer Nachschublager vorbereiten könnte. Zugegeben, das war nur eine Theorie, aber eine, die sich mit den vorliegenden Schriftstücken deckte.
    Selbst wenn Manzini den Feind mit seinen Depots nur regional unterstützte, erfüllte dies den Tatbestand des Hochverrats. Was hatte er ihnen noch geliefert? Landkarten, Informationen über Kasernen oder strategisch wichtige Punkte? Nico entsann sich der drei Gespräche, die sein Widersacher mit Karl Hass, diesem SS-Spion aus der deutschen Botschaft, geführt hatte – insgesamt gab es zwischen den beiden bestimmt weitaus mehr konspirative Kontakte. Mittlerweile traute Nico dem Mörder seines Vaters alles zu. Leider konnte er nichts hieb- und stichfest beweisen. Wozu auch? Vor einem Vierteljahr noch hätte Manzini die Anklage des Landesverrats gewiss nicht so einfach in einer Schublade verschwinden lassen können, egal welche Verdienste er sich in früherer Zeit um die faschistische Sache erworben hatte, aber nun war der Zug leider abgefahren.
    »Ich muss nach Nettunia zurück«, sprach Nico seine Gedan-
    ken aus und begann die Unterlagen zusammenzuräumen. Ich sollte sie irgendwo verstecken, wo sie vor Bomben sicher sind …
    Am darauf folgenden Montagmorgen – es war der 13. Septem-
    ber 1943 – wurde er bei der Procura del Re, der Staatsanwaltschaft, vorstellig. An den Eingängen und in der Vorhalle des Gebäudes standen Posten der Wehrmacht. Innerlich wappnete er sich gegen das Schlimmste. So wurde er wenigstens nicht enttäuscht, als man ihm mitteilte, die Anklageerhebung gegen Manzini sei auf höchste Anordnung hin fallen gelassen worden. Signor Abbado, der vor wenigen Tagen noch so begeisterungsfähige junge Assistente del Procuratore, war das schlechte Gewissen in Person.
    »Dann möchte ich das Auftragsbuch meines Vaters zurückha-
    ben«, verlangte Nico.
    »Leider geht das im Moment nicht«, wand sich Abbado.
    »Das müssen Sie mir bitte erklären.«
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    »Ich habe das Buch nicht mehr?«
    »Wie bitte?« Nicos Stimme überschlug sich.
    »Es wurde von einem deutschen SS-Offizier abgeholt.«
    Nico schloss die Augen und holte tief Luft. Dann stützte er beide Hände auf den Schreibtisch und sah den Beamten scharf an.
    »Der Mann war nicht zufällig Sturmbannführer der SS und hieß Karl Hass?«
    »Woher wissen Sie das?«
    Nico ließ sich, ohne zu fragen, auf den Stuhl vor Signor Abbados Schreibtisch sinken. »Manzini kollaboriert schon lange mit den Deutschen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich glaube, dass er ein Verräter ist.«
    »Nicht so laut!«, zischte Abbado und spähte zu einer Tür, die in ein Nachbarbüro führte. Als von dort kein Sturmtrupp auftauchte, um ihn festzunehmen, beugte er sich vor und flüsterte:
    »Der Staatsanwalt hat gerade Besuch. Die Deutschen übernehmen zurzeit die Kontrolle des gesamten öffentlichen Lebens. Wissen Sie, was gestern passiert ist?«
    Nico zuckte die Achseln. Abbado wurde noch leiser.
    »Ich habe vorhin auf der Toilette zufällig ein

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