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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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verbracht hatte, in den Gewölben unter dem Schwarzen Haus Verbrecher kleinzukriegen, war ich zu der Überzeugung gelangt, dass es keine Schmerzensäußerung gab, mit der ich nicht vertraut war. Doch so etwas wie die Schreie des Kireners hatte ich noch nie gehört. Er gab Geräusche von sich, die sich mir wie rostige Schrauben in den Schädel bohrten. Ich hielt mir so fest die Ohren zu, dass ich dachte, mein Trommelfell würde platzen. Aus seinen Nasenlöchern schoss Blut, und er wand verzweifelt den Kopf hin und her, um sich dem Griff des Monstrums zu entziehen. So wild waren die Versuche des Kireners, sich zu befreien, dass er sich die Finger brach, als er sich an den harten schwarzen Panzer krallte. Irgendein innerer Druck bewirkte, dass sein rechtes Auge zerplatzte. Seine Schreie wurden noch lauter und unerträglicher.
    Plötzlich brachen die Schreie ab. Sein Schnaufen und das Anschwellen seines Halses ließen darauf schließen, dass er sich die Zunge durchgebissen hatte und nun vergeblich versuchte, sie hinunterzuschlucken.
    Trotz all der schlimmen Dinge, die ich schon erlebt und die sich meinem Gedächtnis eingegraben hatten – für diesen Horror fehlte mir jeglicher Vergleich.
    Schließlich schüttelte das Wesen den Körper hin und her – wie ein Terrier, der eine Ratte im Maul hat. Es gab ein lautes Knacken, und die Leiche fiel zu Boden, ein Haufen zerfetzten, geschundenen Fleisches. Als es seine Aufgabe erledigt hatte, drehte sich das Monster wie ein Blatt im Wind und entschwand meinem Gesichtsfeld. Ich war so fertig, dass mir die Kraft fehlte, ihm hinterherzublicken.
    Während ich an der Mauer lag und den verstümmelten Körper des Mannes, den ich einen halben Tag lang verfolgt hatte, anstarrte, dachte ich bei mir, dass ich zumindest nicht als Lügner dastand – einen derart entsetzlichen Tod hatte ich noch nie erlebt. Welche Qualen der Kirener jetzt auch leiden mochte, im Vergleich zu denen, die ihn ins Jenseits geschickt hatten, waren sie harmlos.

9
    Nach all der Aufregung schien es mir angemessen, erst einmal in Ohnmacht zu fallen. Aus diesem Grund erfuhr ich nie, wer die Stadtwache holte oder wann die kleine Gruppe von Ermittlungsbeamten eintraf, die mich umzingelt hatten, als ich wieder zu mir kam. Ich nehme an, angesichts der brutalen Ermordung eines Vergewaltigers durch ein dämonisches Wesen überwanden die Häretiker die fest in ihnen verankerte Abneigung gegenüber allem, was mit Polizei zu tun hatte.
    Natürlich dachte ich über all das nicht nach, während ich unsanft wach gerüttelt wurde, da ich mich auf dringendere Probleme konzentrieren musste. Das erste war die unfreundliche Visage eines ehemaligen Kollegen aus dem Schwarzen Haus. Das zweite war seine geballte Faust, die drohend vor meinem Gesicht schwebte.
    Nachdem ich eins aufs Kinn bekommen hatte, bombardierten die eisgrauen Männer mich mit Fragen. Alle Erinnerungen an unsere gemeinsame Vergangenheit wichen der Brutalität, zu der alle Polizisten in den Dreizehn Landen neigen, zumindest in den Ländern, die ich schon besucht habe. Glücklicherweise sorgten meine Position an der Mauer und ihre übertrieben große Anzahl – ich habe genug gefesselte Männer geschlagen, um zu wissen, dass es reine Angabe ist, wenn an einem Verhör mehr als drei Leute teilnehmen – dafür, dass sie weniger Schaden anrichteten, als möglich gewesen wäre. Trotzdem wurde der Abend dadurch in keiner Weise erfreulicher.
    Crispin schaffte es, meine Angreifer so lange zurückzuhalten, dass er mich hochzerren und gegen den Karren des Leichenschauhauses lehnen konnte, in dem die verstümmelte Leiche des Kireners lag. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie zuzudecken. Obwohl mir Blut aus dem Mund floss, war ich nach den bizarren Ereignissen des Abends irgendwie aufgekratzt und empfand ein seltsames Triumphgefühl. »Hey, Partner! Hast du mich vermisst?«
    Das fand Crispin in keiner Weise komisch. Einen Moment lang dachte ich, er würde der dunklen Seite seines Charakters nachgeben und mir ebenfalls einen Schlag ins Gesicht versetzen, doch diszipliniert, wie er war, zügelte er seine Wut. »Was im Namen des Schwurhalters ist hier passiert?«
    »Ich könnte sagen, hier hat die göttliche Gerechtigkeit gewaltet, aber solch ein finsteres Bild habe ich von den Daevas nicht.« Ich beugte mich zu ihm, damit niemand anders hören konnte, was ich sagte. »Was da im Karren liegt, sind die Überreste des Mannes, der für den Mord an dem Mädchen verantwortlich war.

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