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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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Kichern.
    »Geh zur Kneipe zurück, mein Junge. Für dich ist heute Feierabend.«
    Nachdem Zeisig so lange an der Suche teilgenommen hatte, wollte er verständlicherweise auch beim Showdown dabei sein. »Ich bleibe hier.«
    Der Kirener hatte mich inzwischen bemerkt. »Das ist keine gleichwertige Partnerschaft«, sagte ich zu Zeisig, ohne den Kirener aus den Augen zu lassen. »Du bist mein Lakai. Wenn ich dir befehle, eine glühende Kohle zu schlucken, hast du zum nächsten Feuer zu laufen, und wenn ich dir befehle zu verschwinden, dann hast du abzuschwirren. Also … ab mit dir.«
    Einen Moment lang rührte sich Zeisig nicht von der Stelle, doch dann machte er sich davon. Ich überlegte, ob er zur Kneipe zurückgehen oder durch die Straßen streifen würde, um sich für die Beleidigung zu rächen, indem er allerlei Unfug anstellte. Wahrscheinlich Letzteres, aber das war mir egal.
    Der Kirener versuchte offenbar draufzukommen, woher mein Interesse an ihm rührte. Ungebeten passierten all seine Verbrechen in seinem Gedächtnis Revue, während sein Verstand seinen Nerven einzureden suchte, dass die Aufmerksamkeit, die ich ihm schenkte, einen harmlosen Grund hatte, dass ich einfach nichts wissen konnte.
    Ich legte einen weiteren Silberling auf den Tisch und sagte zu dem Manager: »Ich nie hier gewesen.«
    Der Mann verbeugte sich devot und ließ das Geldstück mit ausdruckslosem Grinsen in den Falten seines Gewands verschwinden.
    Ich erwiderte sein Grinsen, sah den Kirener im Hof aber weiterhin unverwandt an, damit er noch nervöser wurde. Dann drehte ich mich um und verließ das Gebäude.
    Operationen dieser Art erfordern eigentlich mindestens drei weitere Personen, eine, die die Vordertür bewacht, eine, die die Hintertür im Auge behält, und eine für alle Fälle. Trotzdem machte ich mir keine Sorgen. Ich hielt es für unwahrscheinlich, dass der Kirener das Risiko eingehen würde, seine Arbeit früher als gewöhnlich zu beenden. Ich stellte mir vor, wie er sich einzureden versuchte, dass seine Ängste unbegründet seien, dass ich nur ein ignoranter guai lo sei. Und schließlich war er ja überaus vorsichtig zu Werke gegangen, hatte die Leiche sogar mit der Säure gesäubert, die er in der Fabrik gestohlen hatte. Niemand hatte ihn gesehen. Er würde bis zum Ende der Schicht bleiben.
    Ich setzte mich in einer Gasse gegenüber dem Haupteingang der Fabrik auf ein Fass und wartete darauf, dass die Schatten länger wurden. In meiner Zeit als Ermittlungsbeamter hatte ich einmal achtzehn Stunden lang als Bettler verkleidet vor einem Hurenhaus gehockt, bis mein Opfer herausgestolpert kam und ich die Möglichkeit hatte, ihm mit meiner Krücke eins über den Schädel zu ziehen. Aber damals war ich noch durchtrainiert gewesen, und Geduld ist eine Kunst, die sich rasch verliert, wenn man sie nicht ausübt. Ich widerstand dem Bedürfnis, mir eine Zigarette zu drehen.
    Eine Stunde verging, dann noch eine.
    Ich war froh, als die Glocke über dem Eingang läutete und das Ende des Arbeitstages verkündete. Die Kirener kamen aus der Fabrik geströmt. Ich hievte meinen schmerzenden Körper hoch und folgte der Menge. Mein Opfer überragte seine Kameraden, was mir einen Vorteil beim Beschatten verschaffte, den ich zwar nicht brauchte, mir aber zunutze machen würde. Die Menge bewegte sich nach Süden und strömte in eine Kneipe, über der mir unbekannte kirenische Schriftzeichen prangten. Ich setzte mich draußen hin und rollte mir ein Stäbchen. Als ich aufgeraucht hatte, drückte ich die Kippe aus und ging hinein.
    Die Kneipe war, typisch für die Kaschemmen der Häretiker, ein weitläufiger, schwach beleuchteter Raum, in dem Reihen langer Holztische standen. Das mürrische, unaufmerksame Personal brachte jedem, der zahlen konnte, Schalen mit bitterem grünem kisvas . Ich setzte mich an der hinteren Wand auf einen Stuhl. Mir war durchaus bewusst, dass ich hier der einzige Nicht-Kirener war, doch das kratzte mich nicht im Geringsten. Als ein Kellner mit eingedrücktem Gesicht vorbeikam, bestellte ich das Gesöff, das diese Ausländer für ein alkoholisches Getränk halten. Es kam erstaunlich schnell, und während ich trank, ließ ich den Blick durch den Raum schweifen.
    Er saß allein da, was nicht überraschte. Seine Art von Perversion zeichnet einen Menschen, und nach meiner Erfahrung können die Leute so was förmlich riechen. Die anderen Arbeiter würden es natürlich nicht so ausdrücken. Sie würden sagen, dass er irgendwie

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