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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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Das Wesen, das ihn getötet hat … nun, wenn es einen Namen hat, dann weiß ich ihn nicht. Wenn ich etwas damit zu tun hätte, hättet ihr weder seine Leiche gefunden, noch wäre ich neben ihm in Ohnmacht gefallen.« Ich bemerkte mit einer gewissen Schadenfreude, dass sein Mantel etwas von meinem Blut abbekommen hatte, weil ich so nahe an ihn herangetreten war.
    Am Eingang der Sackgasse hatte sich eine größere Gruppe von Häretikern versammelt, die laut miteinander schwatzten und in deren Augen Angst und Wut standen. Die eiskalten Teufel hätten die Leiche bedecken und die Gegend weiträumig absperren müssen, und zwar schnellstens. Was war seit meinem Ausscheiden bloß aus dem Schwarzen Haus geworden? Es mochte ja schön und gut sein, einen Verdächtigen ein bisschen hart anzufassen, aber doch nicht auf Kosten der Professionalität. Wofür hielten die sich eigentlich?
    Die Jahre, die wir gemeinsam damit verbracht hatten, im Bodensatz der Zivilisation Jagd auf den Abschaum der Menschheit zu machen, reichten aus, um Crispin von meiner Glaubwürdigkeit zu überzeugen. Seine Vorgesetzten hingegen würden sich nicht mit den Versicherungen eines in Ungnade gefallenen ehemaligen Ermittlungsbeamten und jetzigen Kriminellen zufriedengeben. »Hast du irgendwelche Beweise?«
    »Nein. Aber wenn du seinen Namen herausgefunden und eruiert hast, wo er wohnt, wirst du dort ein Erinnerungsstück finden, das er aufgehoben hat, möglicherweise ein Stück von ihrer Kleidung. Wahrscheinlich wirst du einige solcher Sachen finden.«
    »Du weißt noch nicht mal seinen Namen?«
    »Für solche Nebensächlichkeiten hab ich keine Zeit, Crispin – ich arbeite jetzt in der Privatwirtschaft.«
    Die Menge hinter dem Kordon von Stadtwächtern, der den Zugang zur Gasse blockierte, wurde langsam unruhig und fing an zu lärmen, obwohl ich nicht verstehen konnte, was sie schrien. Wollten sie meinen Kopf, weil ich einen ihrer Landsleute getötet hatte? War irgendwie bekannt geworden, welche Verbrechen der Mann begangen hatte? Vielleicht drückten sie auch nur ihre Verachtung gegenüber der Polizei aus, wie alle vernünftigen Menschen sie empfanden. Trotzdem wurde die Situation allmählich brenzlig. Ich beobachtete, wie einer der Stadtwächter einen der Kirener zurückschubste und ihm eine ethnische Beleidigung an den Kopf knallte.
    Crispin bemerkte den Vorfall ebenfalls. »Ermittlungsbeamter Eingers, gehen Sie mit Marat mal da rüber, und halten Sie diese Arschlöcher von Stadtwächtern im Zaum, damit die Situation nicht eskaliert. Tenneson, Sie übernehmen den Befehl. Guiscard und ich bringen den Verdächtigen in die Zentrale.« Er wandte sich zu mir um. »Ich leg dich in Eisen«, verkündete er. Was mich nicht sonderlich schockierte, aber auch nicht gerade begeisterte. Ich stellte mich gerade hin, und Crispin fesselte mir die Hände, straff, doch ohne unnötige Brutalität. Guiscard ging voran, ohne ein Wort zu sagen. Er wirkte nicht mehr ganz so unangenehm wie beim ersten Mal, und es überraschte mich, dass er nicht mitgemacht hatte, als ich von seinen Kameraden verprügelt worden war.
    Die beiden brachten mich zum Ausgang der Gasse, wo zwei der Ermittlungsbeamten erfolglos versuchten, die Meute zu beschwichtigen. Guiscard, der voranging, bemühte sich, uns einen Weg zu bahnen, doch die sonst so lammfrommen Häretiker rührten sich nicht von der Stelle. Ein Patt schien unausweichlich, und das bedeutete sicherlich keinen Vorteil für mich. Jedenfalls nicht, wenn ich Handschellen trug.
    Crispins Hand ruhte auf dem Griff seines Schwerts, die Andeutung einer Drohgebärde. »Kraft meiner Befugnis als Ermittlungsbeamter der Krone befehle ich Ihnen auseinanderzugehen. Sollten Sie sich weigern, wird Ihnen das als Widersetzlichkeit ausgelegt.«
    Die Menge blieb stur. Die Brutalität der Bullen und die unwürdige Behandlung der Leiche reichten aus, um sie zu einer für sie ungewöhnlichen Aufsässigkeit anzustacheln. Die angeborene Neigung der Häretiker zum Gehorsam hielt sie zwar davon ab, auf uns loszustürmen, doch machten sie keine Anstalten, Crispins Befehl Folge zu leisten.
    Crispins Hand schloss sich um den Edelstein, der ihm an einer Kette um den Hals hing. Er kniff ganz kurz die Augen zu. Das Juwel leuchtete auf und verströmte ein weiches blaues Licht, das durch seine geschlossene Faust drang. Diesmal duldeten seine Worte keinen Widerstand. »Kraft meiner Befugnis als Ermittlungsbeamter der Krone befehle ich Ihnen auseinanderzugehen. Sollten Sie

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