Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
Vom Netzwerk:
auch dafür Dank schuldig. Koboldatem im Wert von zehn Ockerlingen trägt einem fünf Jahre Arbeitslager ein, also drei mehr, als ein durchschnittlicher Insasse überlebt. »Unterschreib das«, sagte er. Dann beugte er sich über den Tisch, um meine Handschellen aufzuschließen.
    Ich rieb mir die tauben Handgelenke, damit der Blutkreislauf wieder in Schwung kam. »Wie schön, dass der Fall abgeschlossen, der Gerechtigkeit Genüge getan und alles wieder in Butter ist.«
    »Mir gefällt das ebenso wenig wie dir. Wenn es nach mir ginge, würden wir die Wohnung des Kireners auseinandernehmen und mit allen uns zur Verfügung stehenden Kräften deiner Geschichte nachgehen. Das …« Verbittert schüttelte er den Kopf, wobei der junge Mann zum Vorschein kam, den ich vor zehn Jahren kennengelernt hatte und der meinte, sein Dienst für die Krone sei genau das: ein Dienst. Der der Ansicht war, das Böse in der Welt könne von dem starken Arm eines rechtschaffenen Mannes besiegt werden. »Das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun.«
    Trotz seines überragenden Intellekts und seiner körperlichen Leistungsfähigkeit war Crispin letzten Endes nicht sonderlich gut in seinem Job. Seine Vorstellungen, wie der Job sein sollte, machten ihn blind für die Wirklichkeit des Jobs, und ebendas hatte verhindert, dass er im Rang aufstieg, obwohl seine Familie eine der ältesten in Rigus war und er der Krone tatsächlich hervorragende Dienste leistete. Gerechtigkeit? Fast hätte ich gelacht. Ein Ermittlungsbeamter sorgt nicht für Gerechtigkeit, sondern erhält die Ordnung aufrecht.
    Gerechtigkeit! Beim Verlorenen, was sollte man dazu sagen?
    Mir fehlte die Kraft, ihn aufzuklären. Außerdem war das ein Thema, über das wir uns schon immer gestritten hatten. Da er umgeben von Wandteppichen aufgewachsen war, auf denen seine Vorfahren zum Scheitern verurteilte Attacken gegen eine unüberwindliche Übermacht ritten, hatte er eine Schwäche für Worte entwickelt, die nichts bedeuteten. Schwungvoll setzte ich meinen Namen unter das Schriftstück.
    »Der Kirener hat bekommen, was er verdient, und ich überlasse es dem Erstgeborenen, für Gerechtigkeit zu sorgen. Was mich im Moment mehr beunruhigt, ist die Frage, was geschieht, wenn das Wesen, das ihn getötet hat, wiederkommt.«
    »Ich an deiner Stelle würde hoffen, dass das nicht passiert – denn von jetzt an bist du das einzige Verbindungsglied zu der ganzen Geschichte. Solange es wegbleibt, schert man sich einen Dreck um dich. Aber falls es doch wieder auftaucht, wird dich die Spezialabteilung einkassieren. Dann kann ich nichts mehr für dich tun.«
    Nach dieser erbaulichen Bemerkung erhob ich mich. »Warten wir’s ab«, sagte ich und nickte ihm zum Abschied zu.
    Ohne mein Nicken zu erwidern, starrte er geistesabwesend auf den Tisch.
    Ich verließ das Schwarze Haus so schnell wie möglich, um sowohl Erinnerungen als auch ehemaligen Kollegen aus dem Weg zu gehen, die dazu neigen könnten, ihre Unzufriedenheit mit meinem Werdegang durch körperliche Gewalt auszudrücken. Letzteres gelang mir besser als Ersteres, und als ich wieder auf die Straße trat, war ich in einer Gemütsverfassung, die an Verzweiflung grenzte. Während ich nach Hause ging, wünschte ich, meinen Ranzen noch zu haben, um mir schnell eine Portion Koboldatem reinziehen zu können.

10
    Nachdem ich zum Torkelnden Grafen zurückgekehrt war, trank ich einen Krug Ale und schlief ungefähr anderthalb Tage lang. Zwischendurch stand ich kurz auf, um Adolphus Bericht zu erstatten und einen Teller Rührei zu essen. Was mit dem Kirener geschehen war, deutete ich nur an – je weniger Leute darüber Bescheid wussten, desto besser. Adolphus war gebührend beeindruckt.
    Im Laufe der Woche war ich stets auf der Hut, wenn ich meinen Geschäften nachging, und legte für den Fall, dass ich beschattet wurde, allerlei falsche Fährten aus. Doch soweit ich feststellen konnte, verfolgte mich niemand. Auch keine Geister oder dämonischen Erscheinungen – das Einzige, was ich wahrnahm, war das Geschwür am Arsch von Rigus namens Unterstadt, das in all seiner verfaulten Pracht vor sich hin schmorte.
    Deshalb nahm ich eine Zeit lang an, dass die Angelegenheit tatsächlich abgeschlossen sei. In manchen Nächten dachte ich ausgiebig über das Monstrum nach, doch selbst wenn mir daran gelegen gewesen wäre, es aufzuspüren, fehlten mir jegliche Anhaltspunkte dafür. Und um die Wahrheit zu sagen, hatte ich genug davon, Detektiv zu spielen – so zu tun,

Weitere Kostenlose Bücher