Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
nicht, Antworten zu bekommen, selbst wenn ich dumm genug gewesen wäre, Fragen zu stellen. Stattdessen salutierte ich vor Grenwald, inständig hoffend, dass dies nicht das letzte Mal sein möge, dass ich vor dem überheblichen Scheißkerl strammstand. Dann wandte ich mich Adelweid zu. »Sir, unsere Einheit hat sich am vordersten Graben gruppiert. Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
Zerstreut nickte er dem Major zu und schloss sich mir an, ohne noch ein Wort zu sagen. Ich hingegen nutzte die Gelegenheit, eine Bemerkung zu machen. »Sir, ich hielte es für angebracht, wenn Sie alles ablegen würden, das Licht reflektieren könnte. Besonders diese Haarspange könnte alle Heckenschützen der Dren auf uns aufmerksam machen.«
»Danke für den Hinweis, Leutnant, aber meine Kleidung bleibt, wie sie ist.« Seine Stimme war genauso ölig, wie ich es erwartet hatte. Voller Besitzerstolz strich er über die funkelnde Spange. »Ohne diese Spange ließe sich unsere Mission nicht durchführen. Außerdem habe ich keineswegs die Absicht, nach erfolgreich abgeschlossenem Einsatz ins Lager zurückzukehren, nur um dann festzustellen, dass irgendein Landser die Manschettenknöpfe entwendet hat, die immerhin ein Geschenk vom Oberhaupt des Ordens der gekrümmten Eiche sind.«
Das wäre immerhin besser, als überhaupt nicht zurückzukommen, dachte ich im Stillen, und auch besser, als mich und meine Männer deiner krankhaften Eitelkeit zu opfern. Obwohl er recht hatte. Die Sachen wären in der Tat gestohlen worden.
Als wir den Rand des Lagers erreichten, waren die Männer bereits gerüstet und hatten Position bezogen. Wir sechs stellten uns im Kreis auf, und ich wiederholte die Befehle. Es war deutlich zu merken, dass sie unzufrieden waren, sowohl mit der Aufgabe als auch mit Adelweid. Doch da sie alte Hasen waren, hielten sie den Mund. Als ich fertig war, befahl ich ihnen, ein letztes Mal ihre Ausrüstung zu überprüfen. Dann kletterten wir die Leitern hoch und befanden uns im Ödland zwischen unserem Lager und den Dren.
»Von jetzt an gilt: kein Licht, keine Geräusche.« Ich nickte Saavedra zu, dessen Gesicht wie erwartet mit Ruß geschwärzt war. Er ging zum oft erprobten Schleichgang über, und fünfzehn Sekunden später vermochte ich ihn kaum noch auszumachen. Carolinus schloss sich ihm an, ich folgte mit Adelweid, der mir ein paar Schritt voraus war.
Hinter mir befand sich unser Schütze Milligan, ein aufgeweckter, gutmütiger Tarasaihgner, der auf hundert Schritt Entfernung das Gesicht der Königin auf einem Ockerling zu treffen vermochte. Ich bezweifelte, dass er uns viel nützen würde, denn für das Abschießen von Armbrustbolzen schien es mir ein bisschen zu dunkel. Zumindest war er, wenn es zu einem Handgemenge kam, ruhig und gelassen, nichts Besonderes, aber zuverlässig.
Die Nachhut bildete Cilliers, ein vaalanischer Riese mit mürrischem Gesicht, der selten lächelte und noch seltener etwas sagte. Er war der Einzige in unserm Trupp, der nicht nur mit einer Grabenklinge bewaffnet war, sondern auch einen zweischneidigen Flamberg auf dem Rücken trug, eine Waffe, die schon in seiner Familie weitervererbt worden war, bevor seine Ahnen dem Thron von Rigun Treue geschworen hatten. Sein massiger Körperbau machte ihn für verdeckte Operationen ungeeignet, doch falls es zu einem Gefecht kommen sollte, würden wir froh sein, ihn und seinen Zweihänder dabeizuhaben.
Jahre des Kampfes hatten die einst üppige Landschaft in eine Wüstenei verwandelt. Bombardements durch Artillerie wie auch solche magischer Art hatten die Vegetation und die gesamte Fauna mit Ausnahme von Nagetieren vernichtet. Selbst die Beschaffenheit des Geländes hatte sich verändert, denn durch Explosionen waren Hügel eingeebnet und an anderer Stelle Erdhaufen aufgeworfen worden. Abgesehen vom ästhetischen Aspekt bedeutete dies, dass es nur wenig gab, wo man in Deckung gehen konnte. Ohne geschwärzte Gesichter, in einer mondhellen Nacht, waren wir eine leichte Beute für alle Patrouillen, die auf fünfzig Meter an uns herankamen.
Wir mussten uns also rasch und leise bewegen. Mit beidem hatte der Magier Schwierigkeiten, was nicht sonderlich überraschte. Sein Gang hätte eher zu einem morgendlichen Spaziergang als zu einer geheimen Mission gepasst. Jedes Mal, wenn sich das Licht in seinem Silberschmuck widerspiegelte, zuckte ich zusammen. Milligan erging es nicht anders. Wenn es irgendeinen von uns erwischte, weil sich dieser Idiot geweigert hatte,
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