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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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nur zu denken – ich vermisste dieses beschissene Outfit, das konnte ich nicht leugnen.
    Crispin erkannte mich schon von Weitem. Seine Gesichtszüge verhärteten sich, ohne dass sich sein Schritt verlangsamt hätte. Sein Aussehen hatte sich in den letzten fünf Jahren kaum verändert. Das aristokratische Gesicht, das mich unter der Hutkrempe hervor anstarrte, war sich ebenso gleich geblieben wie die aufrecht-stramme Haltung, die von einer Jugend Zeugnis ablegte, in der er von Tanzmeistern und Benimmlehrern geschult worden war. Der Ansatz seines braunen Haars war stark zurückgewichen, doch seine kühn geschwungene Nase kündete nach wie vor von der langen Geschichte seiner Familie. Ich wusste, dass es ihm missfiel, mich hier zu sehen, genauso wie es mir missfiel, dass man ausgerechnet ihn hergeschickt hatte.
    Den anderen kannte ich nicht – offenbar war es ein Neuer. Wie Crispin hatte er die lange, arrogante Nase der Rouender, während sein Haar so blond war, dass es fast weiß wirkte. Abgesehen von seiner platinblonden Mähne machte er den Eindruck eines typischen Ermittlungsbeamten. Seine blauen Augen blickten unterschiedslos inquisitorisch drein, sein in der Uniform steckender Körper strahlte Härte und Aggressivität aus.
    Die zwei blieben am Eingang zur Gasse stehen. Crispins Blick schweifte über die Umgebung, verharrte kurz auf der zugedeckten Leiche, um sich dann auf Wendell zu richten, der strammstand und sich alle Mühe gab, wie ein Polizist auszusehen. Crispin nickte ihm kurz zu. Der zweite, nach wie vor namenlose Ermittlungsbeamte verschränkte lediglich die Arme und deutete ein Grinsen an. Nachdem dem Protokoll Genüge getan war, wandte sich Crispin an mich. »Du hast sie gefunden?«
    »Vor vierzig Minuten, aber sie hatte sicher schon ein Weilchen in der Gasse gelegen. Der Mörder hat sie nach seiner Tat hier abgeladen.«
    Langsam schritt Crispin die Umgebung ab. In der Mitte der Gasse führte eine Holztür in ein verlassenes Gebäude. Er blieb vor der Tür stehen und drückte dagegen. »Glaubst du, er ist hier rausgekommen?«
    »Nicht unbedingt. Die Leiche ist klein genug, um sie irgendwo zu verstecken – vielleicht in einer Kiste oder einem leeren Bierfass. Bei Einbruch der Dämmerung ist in dieser Straße nicht viel los. Man könnte die Leiche einfach abladen und weitergehen.«
    »Steckt das Syndikat dahinter?«
    »Du weißt so gut wie ich, dass ein unversehrtes Kind auf den Märkten von Bukhirra fünfhundert Ockerlinge einbringt. Kein Sklavenhändler wäre so dumm, sich selbst um seinen Profit zu bringen, und falls doch, dann würde er die Leiche geschickter verschwinden lassen.«
    Das war für Crispins Kollegen zu viel der Ehrerbietigkeit gegenüber einem Fremden in zerlumptem Mantel. Er kam zu uns herübergeschlendert, erfüllt von jener Arroganz, die entsteht, wenn das angeborene Überlegenheitsgefühl durch die Übernahme eines öffentlichen Amts gefestigt wird. »Wer ist dieser Mann? Was hatte er hier zu suchen, als er die Leiche entdeckte?« Er grinste mich höhnisch an. Ich musste zugeben, dass er sich gut darauf verstand. Trotz seiner weiten Verbreitung ist das ein Gesichtsausdruck, den nicht jeder beherrscht.
    Da ich nicht reagierte, wandte er sich an Wendell. »Wo sind seine Sachen? Was hat Ihre Durchsuchung ergeben?«
    »Nun ja, Sir«, erwiderte Wendell, dessen Unterstadtakzent sich verstärkte. »Da er den Leichenfund gemeldet hat, dachten wir … das heißt …« Er wischte sich mit dem Rücken seiner fetten Hand über die Nase. »Er ist nicht durchsucht worden, Sir«, stieß er schließlich hervor.
    »Hält die Stadtwache so etwas für eine Ermittlung? Neben einem ermordeten Kind wird ein Verdächtiger vorgefunden, und Sie unterhalten sich in aller Freundschaft mit ihm? Kommen Sie Ihrer Pflicht nach, und durchsuchen Sie diesen Mann!«
    Wendells stumpfsinniges Gesicht rötete sich. Er zuckte entschuldigend die Achseln und kam auf mich zu, um mich abzutasten.
    »Das wird nicht nötig sein, Guiscard«, mischte sich Crispin ein. »Dieser Mann ist … ein ehemaliger Kollege. Er ist über jeden Verdacht erhaben.«
    »Aber nur bei dieser Angelegenheit, das kann ich Ihnen versichern. Guiscard heißen Sie, ja? Durchsuchen Sie mich ruhig, Guiscard. Man kann nie vorsichtig genug sein. Wer weiß? Vielleicht hab ich das Kind ja entführt, vergewaltigt und gefoltert, die Leiche hier abgeladen, eine Stunde gewartet und dann die Stadtwache gerufen!« Guiscards Gesicht färbte sich dunkelrot, was

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