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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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zu weiteren Übergriffen kommen, werde ich mich gezwungen sehen …«, er bleckte seine hässlichen schwarzen Zähne, »… äußerst unfreundlich zu reagieren.«
    Ich verließ Ling Chis Höhle so schnell, wie die Schicklichkeit es erlaubte. Die ganze Sache war einfach zu viel, und der Rauch hatte sich mir so auf den Magen geschlagen, dass ich einen Würgereiz verspürte. An der Theke händigte mir der fette Barkeeper mit starrem Blick die Ware aus. Dann steuerte ich schnurstracks auf den Ausgang zu.

22
    Als ich zum Torkelnden Grafen zurückgelangte, hatte der abendliche Ansturm der Gäste bereits voll eingesetzt. Nachdem ich einen Platz an der Theke gefunden hatte, gelang es mir, bei dem schwer beschäftigten Adolphus einen Teller mit Essen und etwas Süffiges zum Runterspülen zu bestellen. Die Wärme im Raum, das Gedränge und der Lärm um mich herum hatten eine einschläfernde Wirkung. Ich rieb mir die Stirn und versuchte, mich wach zu halten.
    Adeline kam aus der Küche, in der einen Hand einen Teller mit Fleisch und Kartoffeln, in der andern ein Glas guten, starken Stouts.
    »Danke«, sagte ich.
    Sie nickte freundlich. »Wo ist Zeisig?«
    »Der hat sich davongemacht. Sagte, er müsse was erledigen.«
    Es mochte mir ja gelingen, dem gefährlichsten Kirener von Rigus Halbwahrheiten und regelrechte Lügen aufzutischen – bei Adeline kam ich damit nicht durch. »Du hast ihn fortgejagt, nicht wahr?«
    »Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit über die jeweiligen Vorzüge des Besitzrechts. Irgendwann wird er schon wiederkommen.«
    Vor Zorn schwoll sie förmlich an. »Irgendwann«, wiederholte sie in verächtlichem Ton.
    »Gib Ruhe, Adeline. Er hat den größten Teil seines Lebens auf der Straße geschlafen. Da spielt eine Nacht mehr oder weniger keine Rolle.«
    »Hast du vergessen, dass heute Morgen ein Kind getötet wurde?«
    »Zeisig ist nicht mein Kind, Adeline, und deins auch nicht. Besser, du gewinnst ihn nicht allzu lieb – zum Schluss wird er dir nämlich in die Hand beißen.«
    »Du bist ein unglaublicher Scheißkerl«, erwiderte sie, drehte sich um und stürmte aufgebracht in die Küche.
    »Tja«, murmelte ich vor mich hin. »Vermutlich.«
    Während ich mich über mein Hacksteak hermachte, versuchte ich, die Puzzleteile, die mir im Kopf herumschwirrten, zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Es klappte nicht. Ich hatte keine Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass Beaconfield korrupt, verdorben und sadistisch war – das war mir eigentlich schon klar gewesen, bevor ich ihn kennengelernt hatte. Aber das brachte mich nicht weiter. Es gab nicht viele Verbrechen, die sich ein Adliger von Geburt nicht erlauben durfte, aber eine Kreatur aus der Leere heraufzubeschwören und mit ihrer Hilfe Kinder zu opfern – das war ein unverzeihliches Vergehen. Falls man den Herzog überführte, würde ihn auch sein Name nicht retten. Er würde gehängt werden oder eine Dosis Arsen schlucken, während er auf seinen Prozess wartete. Zweifellos hatte er den größten Teil seines Lebens in der vergifteten Atmosphäre des Hofs verbracht, hatte versucht, Rivalen durch billige Intrigen und gelegentlich auch mit Gewalt auszustechen. Aber das waren die üblichen Liebhabereien der Oberschicht, die in diesen Kreisen so verbreitet waren wie Petting unter Heranwachsenden. Die Aristokraten sind zu zufrieden mit dem, was sie haben, um alles aufs Spiel zu setzen – genau das macht sie so leicht bespielbar. Was konnte er anstreben? Was würde derartig schreckliche Risiken rechtfertigen?
    Und wenn Beaconfield nicht in die Sache verwickelt war, warum hatte mir Celias Talisman während unseres Gesprächs dann fast ein Loch in die Brust gebrannt? War der Herzog vielleicht in irgendein schwarzmagisches Unternehmen verstrickt, das zu den Fällen, die ich untersuchte, gar keinen Bezug hatte?
    Vielleicht hatte Ling Chi recht. Vielleicht war das alles tatsächlich ein abgekartetes Spiel, das der Alte eingefädelt hatte, weil er seine Macht bedroht sah. Aber das ergab auch keinen Sinn. Ich machte mir zwar keine Illusionen über meinen früheren Boss, aber dieses Monster auf die Einwohner der Unterstadt loszulassen war ein bisschen zu aufwendig, wenn es nur darum gehen sollte, eine Bande zu zerschlagen, auch wenn diese von einem so brutalen Typ wie meinem verehrten Bruder angeführt wurde. Und wenn der Alte jemanden zum Abmurksen gebraucht hätte, dann hätte er sich nicht die Mühe machen müssen, ein Kind zu entführen – er hätte bloß in den

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