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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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Schlückchen?«
    Ich nahm einen Zug, worauf sich mein Magen mit flüssigem Feuer füllte.
    »Gut, das Zeug, was?«, fragte er.
    Ich nickte und trank noch einen Schluck. Der Schnaps war wirklich gut, stark wie der Tritt eines Maulesels, aber mit einem süßen Nachgeschmack.
    »Über einem Torffeuer gebrannt – die einzig richtige Methode. Mein Cousin hat eine Destillieranlage im Hof und schickt mir jeden Monat Nachschub. Wenn ich genug gespart habe, geh ich wieder nach Hause und mach eine richtige Brennerei auf – die Ballantine Destillerie. Hab ich jedenfalls vor. Vielleicht überleg ich’s mir aber noch anders und geb alles für lockere Frauenzimmer aus!«
    Ich fiel in sein Lachen ein. Bei diesem Burschen konnte man gar nicht anders. »Wenn du dich für Ersteres entscheidest, dann schick mir ein Fässchen von deinem ersten Gebrannten.«
    »Klar. Aber genug gequatscht – du hast sicher Wichtigeres zu tun. Ich habe denen drinnen Bescheid gegeben, dass du da bist. Der Ausgestopfte dürfte schon auf dich warten. Falls ich noch da bin, wenn du gehst, trinken wir noch einen, ja?«
    »Gern«, sagte ich und trat durch den Eingang.
    Auf Dunkans Wort konnte man sich verlassen, denn bevor ich dazu kam, an die Tür zu klopfen, öffnete sie sich, und Tuckett beziehungsweise der Ausgestopfte, wie Dunkan ihn genannt hatte, starrte mich mit seinen Schweinsäuglein an. »Sie sind da«, stellte er fest.
    »Lässt sich nicht leugnen.« Der kalte Wind blies dem Diener, der weder Hut noch Mantel trug, entgegen. Ich weidete mich daran, wie er sich bemühte, seine steife Haltung trotzdem beizubehalten.
    »Treten Sie näher«, sagte er in seiner hochnäsigen Art, die ein wenig vom Klappern seiner Zähne beeinträchtigt wurde.
    Nach dieser höflichen Aufforderung schlüpfte ich ins Haus. Tuckett klatschte in die Hände, worauf ein Junge erschien, um mir meine Oberbekleidung abzunehmen. Als ich ihm meinen schweren Wollmantel zuwarf, fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, meine Klinge abzulegen, bevor ich aufgebrochen war. Tuckett ließ kurz den Blick auf meiner Waffe ruhen, sagte aber nichts dazu.
    Dann nahm er eine Laterne von der Wand, um den vor uns liegenden Gang zu beleuchten. »Der Herr ist in seinem Arbeitszimmer. Ich werde Sie zu ihm bringen.« Wie gewöhnlich waren seine Worte halb Befehl, halb Bitte, klangen aber in jedem Fall unangenehm.
    Während ich ihm den Korridor hinunterfolgte, nahm ich die Anlage des Hauses in Augenschein. Nichts an den Räumen, an denen wir vorbeikamen, ließ darauf schließen, dass sie als Zellen für Kinder dienten oder dass in ihnen mit Blut besudelte Altäre standen. Aber andererseits konnte man in einem Gebäude von dieser Größe fast alles verbergen. Tuckett bemerkte meinen schweifenden Blick, und damit er nicht zu lange darüber nachdachte, beschloss ich, ihn ein bisschen zu piesacken.
    »Empfängt der Herr oft Drogenhändler in seinen Privatgemächern?«, fragte ich, während wir die Haupttreppe hochstiegen.
    »Wen der Herr empfängt, das geht Sie überhaupt nichts an.«
    »Na ja, eigentlich schon, da er mich ja gleich empfangen wird.«
    Am oberen Ende der Treppe wandten wir uns nach rechts und gingen eine Weile schweigend weiter. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Tucketts zum Verrücktwerden langsame Bewegungen eher darauf abzielten, mich zu zermürben, als dass sie altersbedingt gewesen wären, denn er konnte nur wenig über vierzig sein, obwohl ihn seine ganze Fadheit älter wirken ließ. Sein Verhalten war nichts als eine kleinliche Vergeltungsmaßnahme, die ihren Zweck aber nicht gänzlich verfehlte – als wir das Arbeitszimmer des Herzogs erreichten, war ich ebenso erpicht darauf, Tuckett loszuwerden, wie umgekehrt.
    Es dauerte unendlich lange, bis er die Energie aufbrachte, an die Tür zu klopfen. Von drinnen hörte ich Schritte, und die Tür öffnete sich.
    Im Vergleich zu unserer letzten Begegnung wirkte Beaconfields Aufzug äußerst gemäßigt, will sagen: Er war nicht mehr wie eine Hure gekleidet. Er trug eine dunkle Jacke und ein schlichtes, wenn auch gut geschnittenes Paar Hosen. Sein Gesicht war ungeschminkt, sein Hals und seine langen Finger wirkten ohne ihren früheren Zierrat nahezu nackt. Das Einzige, was sich seit der Party an seinem Aufzug nicht geändert hatte, war das Rapier, das an seiner Seite hing. Ob er es wohl meinetwegen angelegt hatte? Oder lief er in seinen eigenen vier Wänden auch sonst bewaffnet herum?
    »Danke, Tuckett. Ich brauche Sie nicht

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