Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
mehr.«
Der Butler warf mir einen abfälligen Blick zu und räusperte sich demonstrativ. »Darf ich Milord daran erinnern, dass Zauberer Brightfellow erwartet wird?«
Beaconfield nickte ernst. »Natürlich. Geben Sie mir Bescheid, wenn er da ist.«
Tuckett verschwand mit der Unauffälligkeit des geborenen Dieners. Beaconfield winkte mich ins Zimmer.
In Anbetracht seiner dekadenten Neigungen machte sein Arbeitszimmer einen überraschend nüchternen Eindruck – keine Wandteppiche, auf denen wilde Bacchanale dargestellt waren, keine blutigen Trophäen, die an ermordete Feinde erinnerten. Stattdessen hatte ich einen zwar luxuriös, aber dennoch geschmackvoll ausgestatteten Raum vor mir, dessen Wände von Regalen mit unzähligen alten Büchern gesäumt wurden. Auf dem Fußboden lagen kirenische Teppiche. Beaconfield nahm hinter einem antiken Schreibtisch aus Ebenholz Aufstellung, einem derartigen Trumm, dass einem der Gedanke kam, das Gebäude sei einzig und allein errichtet worden, um dieses Gebilde darin unterzubringen. Er warf einen Blick auf meine Waffe. »Erwarten Sie Unannehmlichkeiten?«
»Ihr Butler ist ein übler Kunde.«
Sein Lachen klang herzhaft und nahezu aufrichtig – jedenfalls hatte es nichts mit dem forcierten nasalen, für seine Klasse typischen Trompeten gemein, das sich eher nach dem Ausscheiden von Exkrementen als nach einem Ausbruch von Heiterkeit anhört. »In der Tat.« Er bemerkte, dass ich mich im Zimmer umsah, und setzte das Grinsen auf, dem er die Hälfte seines Spitznamens verdankte. »Nicht ganz das, was Sie erwartet haben?«
»Scheint nicht so recht zu Ihnen zu passen.«
»Das ist einer der Nachteile, wenn man auf einem Familiensitz lebt – alles in diesem Zimmer war schon da, als ich geboren wurde. Sehen Sie das da?« Er zeigte auf das an der Wand hängende Porträt eines Mannes, der entfernte Ähnlichkeit mit Beaconfield hatte. Er war in voller Rüstung dargestellt, stand auf einem eindrucksvollen Haufen von Leichen und starrte mit einem Blick in die Ferne, der den Ernst der Situation ausdrücken sollte – obwohl mir schleierhaft war, warum er mitten in einem Gefecht den Horizont betrachtete.
»Ja.«
»Was halten Sie davon?«
»Es ist eben ein Gemälde.«
»Scheußlich, nicht wahr? Der alte König hat es meinem Großonkel geschenkt, zur Erinnerung an das berühmte Gefecht bei …«, er machte eine wegwerfende Handbewegung, »… irgendwo. Es gehört zu dem ganzen Kram dazu. Ich kann noch nicht mal neu tapezieren, ohne die Tradition zu verraten.«
»Ein Problem, das mich nie quält.«
»Nein, vermutlich nicht«, erwiderte er. »Normalerweise kann ich Gesichter gut einordnen, aber bei Ihnen gelingt mir das nicht. Für einen Tarasaihgner sind Sie zu groß, für einen Asher zu massig gebaut. Ihre Augen sagen Rouender , aber dafür sind Sie zu dunkelhäutig, fast wie ein Eiländer. Woher stammen Sie?«
»Aus einem Mutterleib.«
Er lachte erneut und wies auf einen Stuhl. Ich ließ meinen erschöpften Körper mit einem kaum hörbaren Seufzer auf den mir angebotenen Platz sinken. Beaconfield setzte sich auf den hochlehnigen, thronartigen Stuhl hinter seinem Schreibtisch.
»War wohl ein langer Tag?«
Ich öffnete meinen Ranzen und holte die Ware heraus – ein Glas mit einer bernsteinfarbenen, zähen Masse sowie ein Bündel miteinander verflochtener brauner Wurzeln. »Vorsicht mit dem Honig, der ist unverschnitten. Nehmen Sie nie mehr als eine Lippe voll davon zu sich, es sei denn, Ihnen steht der Sinn danach, nicht mehr vom Nachttopf runterzukommen.«
»Hervorragend. Nächste Woche gebe ich einen Mittwinterball. Da muss ich meinen Gästen ein paar Schmankerln zu bieten haben.« Er nahm die getrockneten Stängel in die Hand und betrachtete sie flüchtig. »Wie wirken die Wurzeln? Ich hab sie noch nie probiert.«
»So gut, dass man drei oder vier Stunden lang auf seine Stiefel starrt.«
»Hört sich faszinierend an.«
Unwillkürlich musste ich kichern.
Nachdem er die Ouroboros-Wurzeln auf den Tisch zurückgelegt hatte, sah er mich forschend an. Offenbar wollte er mich etwas fragen. Ich kam ihm jedoch zuvor. »Als Nächster kommt also Brightfellow, ja? Empfangen Sie Ihre unappetitlichen Besucher einen nach dem andern, damit Sie hinterher die Kissen verbrennen können, auf denen sie gesessen haben?«
»Würden Sie sich selbst so beschreiben? Als unappetitlich?«
»So würde ich Brightfellow beschreiben.«
»Der Königin würde ich ihn sicher nicht vorstellen. Aber er
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