Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
ist nützlich und clever. Verdammt clever sogar.«
»Wie haben Sie den Mann kennengelernt? Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie beide in denselben Kreisen verkehren.«
Beaconfield lehnte sich zurück und dachte nach, wobei er liebevoll über den Knauf seiner Waffe strich. Ich hatte den Eindruck, dass das nicht als Drohgebärde gemeint war, sondern dass der Herzog einfach jemand war, der das von ihm bevorzugte Mordinstrument gern streichelte. »Glauben Sie an Schicksal, Patron?«
»Ich bezweifle, dass die Daevas etwas mit dem heillosen Durcheinander zu tun haben, das wir aus ihrer Schöpfung gemacht haben.«
»Normalerweise würde ich Ihnen da zustimmen. Aber im Fall von Brightfellow scheint es keine bessere Bezeichnung zu geben. Ich habe in der letzten Zeit … einige Pechsträhnen gehabt. Er wird mir dazu verhelfen, dass mir das Glück wieder hold ist.«
»Ich kannte mal einen Priester, der gern sagte, der Schwurhalter ziehe es vor, durch unvollkommene Diener zu wirken.« Vermutlich war das deswegen der Lieblingsspruch des Fraters gewesen, weil er es keine Stunde lang ohne ein halbes Fläschchen Koboldatem aushielt, aber das tat jetzt nichts zur Sache. »Und hat der Zauberer seine Versprechen schon eingelöst?«
»Noch nicht. Aber ich bin zuversichtlich, dass unser Unternehmen irgendwann von Erfolg gekrönt sein wird.«
Schloss dieses Unternehmen den Mord an zwei Kindern sowie die Öffnung eines Tors zur Leere ein? Zutrauen würde ich es den beiden, aber ein Verdacht ist nicht dasselbe wie Gewissheit, geschweige denn Beweise. Mehr würde ich aus dem Herzog nicht herausbekommen, deshalb schwieg ich. Er hatte mich aus einem ganz bestimmten Grund zu sich gerufen. Wenn ich lange genug wartete, würde er sicher darauf zu sprechen kommen.
»Es wird Sie nicht überraschen, dass ich Nachforschungen über Sie angestellt habe, über Ihre Vergangenheit und Ihren Charakter, bevor ich beschloss, mit Ihnen Geschäfte zu machen.«
»Mein Leben ist ein offenes Buch.« Aus dem die Seiten herausgerissen worden sind – aber jemandem, der einen solchen Einfluss hatte wie der Herzog, dürfte es keine Schwierigkeiten bereitet haben, sich dennoch einen Überblick über mein Leben zu verschaffen. »Außerdem kann mich nicht viel überraschen.«
»Man sagt, Sie seien ein bescheidenes kriminelles Element, das nichts mit den dicken Fischen am Hut hat. Man sagt außerdem, Sie seien zuverlässig.«
»Sagt man das?«
»Man sagt auch noch etwas anderes – nämlich dass Sie früher auf der anderen Seite des Zauns spielten und die graue Kluft trugen, bevor Sie sich Ihrer gegenwärtigen Beschäftigung zugewandt haben.«
»Wenn Sie weit genug zurückgehen, werden Sie noch zu hören bekommen, dass ich früher mal ein Baby in Windeln war.«
»Ja, vermutlich. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie in Ungnade gefallen sind?«
»Bestimmte Dinge passieren einfach.«
»Genau. Bestimmte Dinge passieren einfach.« Sein Blick richtete sich auf die Wand hinter mir, und sein Gesicht nahm jenen versonnenen Ausdruck an, der gewöhnlich einen Monolog ankündigt. Der in der Tat einsetzte, nachdem eine bedeutungsschwangere Pause vergangen war.
»Es ist seltsam, welche Wege ein Mann manchmal geht. In Erzählungen wird dem Protagonisten stets ein kritischer Moment zugestanden, in dem er am Scheideweg steht und seine Möglichkeiten klar vor sich sieht, wählen kann, ob er ein Held oder ein Schurke werden will. Aber so ist das in Wirklichkeit nicht, nicht wahr? Entscheidung folgt auf Entscheidung, jede an sich geringfügig, jede in der Hitze des Gefechts oder instinktiv getroffen. Eines Tages blickt man dann auf und stellt fest, dass man in der Klemme steckt, dass man selbst einen Käfig um sich herumgebaut hat und jede Wahl, die man trifft, einen so unerbittlich vorantreibt wie der Wille des Erstgeborenen.«
»Hört sich gut an, stimmt aber nicht. Ich habe einmal eine Entscheidung getroffen. Wenn die Konsequenzen schlimmer als erwartet waren … dann liegt das daran, dass es eine schlechte Entscheidung war.«
»Aber genau das meine ich, verstehen Sie? Woher will man denn wissen, welche Entscheidungen ins Gewicht fallen und welche nicht? Ich habe Entscheidungen getroffen, die ich bedaure, weil sie nicht … nicht zu mir passten. Es gibt Entscheidungen, die ich gerne rückgängig machen würde, wenn das möglich wäre.«
Beim Verlorenen, er war noch schlimmer als die Häretiker. Worauf wollte er eigentlich hinaus? Wollte er mir etwas gestehen? Oder
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