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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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»Ich gebe Ihnen Bescheid, wenn ich etwas herausgefunden habe.«
    »Sie haben was vergessen.«
    »Nämlich?«, entgegnete er verwirrt, was möglicherweise echt war.
    »Mir meine Liste zurückzugeben.«
    »Ach ja. Entschuldigung«, sagte er, zog das Blatt aus seinem Mantel und gab es mir. Dann ging er.
    Vielleicht war Guiscard doch nicht ganz so begriffsstutzig, wie ich angenommen hatte. Während ich meinen Kaffee trank, schmiedete ich Pläne für den Rest des Tages.
    Adolphus kehrte aus der Küche zurück. »Ist der Blaublüter wieder weg?«
    »Glaub nicht, dass er sich unter einem der Tische versteckt hat.«
    Adolphus stieß ein Schnauben aus, griff in seine Tasche und gab mir ein zusammengefaltetes Blatt gelblichen Pergaments, das mit Wachs versiegelt war. »Das ist gekommen, als du noch geschlafen hast.«
    Ich hielt das Pergament gegen das Licht und warf einen Blick auf das Siegel. Das eine Wappenfeld zeigte einen Löwen, die anderen drei einen Diamanten. »In Zukunft könntest du mir gleich alles Wichtige mitteilen, statt wie ein pissender alter Mann tröpfchenweise was von dir zu geben.«
    »Ich bin kein Postbote.«
    »Du bist kein Koch, du bist kein Postbote – was zum Teufel machst du eigentlich hier?«
    Adolphus verdrehte die Augen und fing an, die Tische sauber zu wischen. Bald würden trotz des unfreundlichen Wetters die ersten Nachmittagsgäste eintrudeln. Ich schlitzte das Wachssiegel mit meinem Daumennagel auf und las den Brief.
     
    Wie ich festgestellt habe, reicht die Ware, die Sie beim ersten Mal geliefert haben, nicht aus. Könnten Sie morgen vor neun nach Seton Gardens kommen und noch einmal die gleiche Menge mitbringen? Vielleicht finden wir Gelegenheit zu einem Gespräch, sobald ich mich um eine andere Angelegenheit gekümmert habe.
    Ihr ergebener Freund
    Beaconfield
     
    Im Allgemeinen schickten mir meine ergebenen Freunde keine Befehle in Form von Bestellungen zu, aber bei der Oberschicht musste man wohl einige Abstriche machen. Ich faltete das Pergament zusammen und steckte es in meinen Ranzen.
    »Habt ihr schon geöffnet?«, nuschelte hinter mir die Stimme eines Gastes.
    Das erinnerte mich daran, dass es allmählich an der Zeit war aufzubrechen, um herauszufinden, was mir die teuerste Nutte von Rigus mitzuteilen hatte. Nachdem ich von oben meinen Mantel geholt hatte, verließ ich die Kneipe und trat in den Sturm hinaus.

28
    Ich stand vor dem Eingang eines Reihenhauses aus rotem Ziegelstein, das sich nördlich der Innenstadt befand, nicht weit von Kor’s Heights und den prachtvollen Anwesen des Adels entfernt. Außer Yanceys Aussage wies nichts darauf hin, dass es sich bei dem bescheidenen, unscheinbaren Gebäude um eines der teuersten Bordelle der Stadt handelte. Die Huren der Unterstadt gehen ihrem Gewerbe sehr offenherzig nach, indem sie mit unbedecktem Busen, der durch rote Vorhänge schimmert, vom offenen Fenster aus versuchen, Kunden anzulocken. Hier war das anders. Neben der Tür prangte eine Bronzeplatte, in die das Wort SAMTHÜTTE eingraviert war.
    Nachdem ich energisch angeklopft hatte, öffnete sich die Tür, und ich sah mich einer hellhäutigen Frau in einem hübschen, aber züchtigen blauen Kleid gegenüber. Sie hatte dunkles Haar und hellblaue Augen und schenkte mir ein bezauberndes Lächeln, das kaum geübter oder geschäftsmäßiger hätte sein können. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie mit angenehmer, klarer Stimme.
    »Ich möchte Mairi sprechen«, erwiderte ich.
    Ihre Lippen zogen sich voller Bedauern nach unten. Ihre Fähigkeit, Wärme und zugleich Herablassung auszustrahlen, beeindruckte mich ungemein. »Ich fürchte, Mairi empfängt nur selten jemanden, und wenn, dann nur Leute, die sie schon lange kennt. Zurzeit ist eigentlich niemand im Haus daran interessiert, neue Freunde kennenzulernen.«
    Bevor sie mir die Tür vor der Nase zuschlagen konnte, sagte ich: »Könnten Sie der Madame mitteilen, dass Yanceys Freund da ist? Ich nehme an, sie erwartet mich.«
    Nachdem ich den Reimer erwähnt hatte, wirkte ihr Lächeln ein wenig natürlicher. »Ich werde mich mal erkundigen, ob sie zu sprechen ist.«
    Ich spielte mit dem Gedanken, mir eine Zigarette zu drehen, kam aber zu dem Schluss, dass das vielleicht einen Mangel an Klasse verriet. Stattdessen rieb ich mir, weil mir kalt war, die Hände, was aber nicht viel nutzte. Als sich die Tür nach ein paar Minuten wieder öffnete, hatte die dunkelhaarige junge Frau ihre freundliche Gleichgültigkeit durch ein schwüles

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