Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
hat …«
»Ersteres hat er verpfändet, damit er sich alles andere leisten kann. Außer einem alten Namen und einem todbringenden Arm hat Lord Beaconfield nicht viel vorzuweisen. Und wie die meisten Adligen kann er nicht mit Geld umgehen, sondern es nur ausgeben. Er hat Zehntausende von Ockerlingen in die Staatsanleihen von Ostarrichi gesteckt und alles verloren, als die Sache im letzten Herbst in die Binsen ging. Es heißt, dass ihm die Gläubiger die Tür einrennen und sein Schneider keine Aufträge mehr von ihm annimmt. Es würde mich überraschen, wenn er bis zum Ende des Winters durchhielte, ohne Bankrott anmelden zu müssen.«
»Und worauf weisen die Diamanten in seinem Wappen hin?«
»Sagen wir mal, der Löwe hat mehr Bedeutung.«
Wenn einem Mann Armut drohte, war er imstande, schreckliche Taten zu begehen – das hatte ich schon oft genug erlebt. Aber reichte die Vorstellung, sein prächtiges Haus zu verlieren, wirklich aus, die Lächelnde Klinge so weit zu treiben, dass er Kinder ermordete und schwarze Magie praktizierte? »Wie steht es mit seinen Beziehungen zum Prinzen?«
»Die werden übertrieben dargestellt. Sie waren zusammen in Aton, einem dieser öden Internate, wo muffige Traditionen hochgehalten werden und die Lehrer alle pädophil sind. Aber der liebe Henry …« Ich fragte mich, ob diese nonchalante Anspielung auf den Kronprinzen darauf schließen ließ, dass sie tatsächlich einmal liiert gewesen waren, oder ob sie mir gegenüber nur diesen Eindruck erwecken wollte. »… ist ein bisschen zu zugeknöpft, um den Ausschweifungen des Herzogs etwas abgewinnen zu können.«
»Interessant«, sagte ich. »Was ist mit seinen Gefolgsleuten? Wissen Sie da etwas? Er hat einen heruntergekommenen Magier als Laufburschen. Brightfellow heißt er.«
Sie rümpfte die Nase, als hätte ich ihr gerade auf den Teppich geschissen. »Den kenne ich – obwohl ich nicht wusste, dass er sich mit dem Herzog zusammengetan hat. Brightfellow gehört zu der unangenehmen Sorte von Magiern, die sich in der Umgebung des Hofs herumdrücken und ihr Talent an Adlige verkaufen, die gelangweilt oder dumm genug sind, für die Taschenspielertricks dieser Leute zu zahlen. Ich habe noch nie viel von Beaconfield gehalten, hätte aber nicht gedacht, dass er sich mit solchem Abschaum einlässt. Dann muss ihm das Wasser ja wirklich bis zum Hals stehen.«
»Was könnte Brightfellow für den Herzog machen?«
»Keine Ahnung – aber wie ich die beiden kenne, würde ich annehmen, dass sie nicht gerade mit philanthropischen Projekten befasst sind.«
Da hatte sie vermutlich recht.
Kurz darauf räusperte sie sich, ein Geräusch, das mich an Zucker und Rauch denken ließ, und beendete unser Gespräch. »Und das wär’s – das ist alles, was ich Ihnen über die geheimen Umtriebe der Lächelnden Klinge mitteilen kann.« Sie öffnete ihre überkreuzten Beine und schlug sie wieder übereinander. »Es sei denn, Sie haben noch andere Wünsche.«
Ich erhob mich abrupt und stellte mein Glas ab. »Nein, danke. Sie haben mir schon sehr geholfen – ich stehe in Ihrer Schuld, die Sie gegebenenfalls bei mir einlösen können.«
Sie stand ebenfalls auf. »Ich bin versucht, sie sofort einzulösen«, sagte sie mit einem Blick in Richtung Bett.
»Sind Sie nicht. Nicht mal ansatzweise.«
Ihr lüsterner Gesichtsausdruck verflüchtigte sich, um durch etwas ersetzt zu werden, das einem aufrichtigen Lächeln ähnelte. »Sie sind ein interessanter Mann. Kommen Sie irgendwann mal wieder her. Ich würde Sie gern wiedersehen.« Sie trat so nahe an mich heran, dass ich ihr Parfüm riechen konnte, das wie alles an ihr berauschend war. »Und das meine ich ernst.«
Auch dies vermochte ich nicht so recht zu glauben. Rajel war nirgendwo zu sehen, als ich die Treppe hinunterging und den Vorraum durchquerte. Der Rausschmeißer nickte mir mürrisch zu.
»Macht’s Spaß, hier zu arbeiten?«
Er zuckte die Achseln. »Mal mehr, mal weniger.«
Ich nickte verständnisvoll und ging.
29
Auf dem Heimweg bemerkte ich irgendwann, dass ich von einem knochigen kleinen Kerl beschattet wurde, der mir in einigem Abstand auf der anderen Straßenseite folgte. Er musste sich mir an die Fersen geheftet haben, nachdem ich Mairis Haus verlassen hatte – bei dem dichten Nebel war es kein Problem, unbemerkt aus irgendeiner Gasse zu schlüpfen.
Ich blieb beim Eckstand eines alten Kireners stehen und inspizierte seine Waren. » Duoshao qian? «, fragte ich, während ich ein
Weitere Kostenlose Bücher