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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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erhob mich und betrachtete den verstümmelten Leichnam. Gern hätte ich etwas gesagt, wusste aber nicht, was. Nachdem ich die Liste in meinem Ranzen verstaut hatte, machte ich mich davon. Nostalgie ist etwas für Weicheier, Rache hat nichts Marktschreierisches an sich. Crispins Grabrede würde darin bestehen, dass ich mit der Lächelnden Klinge abrechnete.
    Raschen Schrittes entfernte ich mich von der Brücke, um schließlich vor einem halb fertiggestellten Haus direkt am Fluss haltzumachen. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass niemand in Sicht war, drückte ich eine Planke des Bauzauns auf, schlüpfte hindurch und ließ mich im Dunkeln gegen eine Mauer sinken.
    Kurze Zeit später stieß eine Gruppe von Arbeitern auf Crispins Leiche. Nachdem sie eine Weile herumgebrüllt hatten – was genau, das konnte ich nicht verstehen –, rannte einer von ihnen los, um gleich darauf mit zwei Stadtwächtern zurückzukommen, die sich ebenfalls alle Mühe gaben, am Tatort herumzutrampeln, bevor sie sich aufmachten, um das Schwarze Haus zu benachrichtigen. Ich nutzte die Gelegenheit, um mir in einer schmuddligen Kneipe schnell eine Flasche Whiskey zu kaufen. Dann eilte ich zu meinem Versteck zurück.
    Zwanzig Minuten saß ich herum, bis die eiskalten Teufel endlich auftauchten, immerhin eine ganze Horde von ihnen, zehn oder zwölf, zu denen sich im Laufe der nächsten Stunden noch weitere gesellten. Sie schwärmten wie Ameisen um Crispins Leiche, suchten nach Indizien und befragten Zeugen, das heißt, sie wandten ein Verfahren an, das angesichts der Tatsache, dass es in der Geschichte der Stadt kaum etwas gab, das sich mit dem Mord an Crispin vergleichen ließ, lächerlich wirkte. Einmal war mir so, als erspähte ich die Patriziervisage von Guiscard, der neben der Leiche seines Partners stand und sich gebärdenreich mit einem anderen Ermittlungsbeamten unterhielt. Aber da dort so viele Männer in eisgrauer Kluft herumwuselten, kann es auch sein, dass ich mich täuschte.
    Abwechselnd nahm ich mal einen Schluck aus der Whiskeyflasche, mal eine Nase voll Koboldatem, der rasch dahinschwand. Als sie mit allem fertig waren und Crispins Leiche auf den Karren des Leichenschauhauses geworfen hatten, war es fast elf Uhr. Seine Mutter und seine Schwester waren vor einigen Jahren gestorben, und ich fragte mich, wer sich wohl um das Begräbnis und das ebenso lächerliche wie scheußliche Haus, in dem er aufgewachsen war, kümmern würde. Es schmerzte mich, wenn ich mir vorstellte, dass man all die Antiquitäten, die es enthielt, auf einer Auktion versteigern und das Haus an irgendeinen Neureichen übergehen würde, der es sich leisten konnte, es zu kaufen.
    Ich verließ mein Versteck und trat auf die menschenleere Straße hinaus, um mich zum Torkelnden Grafen zurückzubegeben. Trotz meiner Versuche, mich mit Whiskey und Koboldatem zu betäuben, war ich von nagender Verzweiflung erfüllt.

27
    Als ich am nächsten Morgen erwachte, war mein Kopfkissen ganz durchnässt – wie ich hoffte, nicht von Erbrochenem. Blinzelnd rieb ich mir die Nase, wobei ich eine Kruste aus geronnenem Blut entdeckte. Ich hatte mich also nicht übergeben. Das waren nur die Nachwirkungen übermäßigen Koboldatemkonsums. Ob das besser oder schlechter war, wusste ich allerdings nicht zu sagen.
    Ein dicker Schleimklumpen landete im Nachttopf, gefolgt von diversen anderen Ausscheidungen. Dann öffnete ich das Fenster und leerte den Topf in die Gasse. Die eiskalte Luft, die dabei hereinwehte, ließ mich zusammenzucken. Über der Stadt hing eine dunkle Wolke und verschluckte alles Licht, sodass es schwierig war, die Tageszeit festzustellen.
    Unten auf der Straße sah ich, wie ein paar bedauernswerte Menschen, die offenbar gezwungen waren, unterwegs zu sein, ihre Mäntel festhielten und sich durch den Wind kämpften.
    Ich säuberte mir am Waschbecken das Gesicht. Das Wasser war kalt und abgestanden, da es sich schon seit gestern oder vorgestern im Becken befand. Ein Blick in den Handspiegel verriet mir, dass mein Gesicht geschwollen und die Augen blutunterlaufen waren.
    Ich sah beschissen aus und fühlte mich noch schlimmer. Ich hoffte, dass es noch nicht zu spät für Kaffee und Eier war.
    Die Kneipe war leer, was mich angesichts des schlechten Wetters nicht erstaunte. Adolphus und seine Frau hatten in der Küche zu tun. Ich setzte mich an die Theke und holte die Liste heraus, die ich bei Crispin gefunden hatte. Dann ging ich die Namen der Magier einzeln durch, um

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